Nach einen Verhandlungstag, einem Verkündungstermin und mehreren Wochen Wartezeit steht das Urteil im Veolia-Prozess gegen vier AntimilitaristInnen fest. Die AktivistInnen müssen gemeinschaftlich 267,04 Euro Schadensersatz (plus Gerichts- und Anwaltskosten) statt der geforderten 1072,00 an die Veolia-Tochterfirma Nord-Ostsee-Bahn (NOB) zahlen.
Militärtransport blockiert
Die vier Betroffenen hatten 2008 zwischen Husum und Schleswig einen Militärtransport mit Patriot-Raketen auf dem Weg zu einem Nato-Manöver mit einer Ankettaktion blockiert. Rechtsmittel sind für die Angeklagten nicht möglich (erst ab 600 Euro). Mit einem weinenden und einem lachenden Auge kommentierte Valeska Petersen von der Husumer Initiative „militarismus-jetzt-stoppen.de.vu“ das konkrete Ergebnis der Verurteilung: „Dass ein milliardenschwerer Militärdienstleister wie der Veolia-Konzern nicht einmal die komplette Taxi-Rechnung für Schienenersatzverkehr bekommt, weil das Gericht den Rechtsweg sabotieren möchte, entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie!“
Schadensersatzforderung wegen Schienenersatzverkehr
Der damals blockierte Transport (mit Video -> klickst Du hier <- ) war von der DB und dem Transportunternehmen „Seehafen Kiel“ abgewickelt worden. Doch da die Polizei mit der Räumung überfordert war, wies diese die Feuerwehr an, das Gleis zu zerteilen. So konnte so zwar die Ankettvorrichtung samt der gerne von den Medien als Berufsaktivsitin bezeichneten Hanna Poddig aus dem Gleisbett entfernt werden, doch durch die improvisierte Reparatur der 8m langen Lücke im Gleis fielen am Sonntagmorgen des 21.Februar 2013 sechs Züge zwischen Husum und Schleswig aus. Dafür richtete die NOB einen Schienenersatzverkehr mit Taxis und Kleinbussen ein, um die wenigen Passagiere in der sonntäglichen Frühe zu transportieren. Für diese Dienstleistung berechnete der Konzern den AktivistInnen neben einer sog. „Service-Pauschale von 25 Euro Taxi-Rechnungen für 428,97 Euro und eine angeblich an DB-Netz gezahlte Miete für die Nutzung der Gleise durch die ausgefallenen Züge über 589,26 Euro.
„Wir zahlen nicht an Militärdienstleister!“
Die AktivistInnen weigerten sich jedoch, die Rechnung zu bezahlen. „Jenseits davon, dass die NOB die Trassenkosten, also fast die Hälfte der Forderung, überhaupt nicht belegt hat, weigern wir uns, einem Militärdienstleister freiwillig Kohle in den Rachen zu werfen!“ kommentiert Valeska Petersen die Entscheidung der AktivistInnen. Veolia erledige pro Jahr über 18.000 Transportaufträge für die Bundeswehr. „Interessant: Eines der bundesweit vier Disponenten-Center Veolias für militärische Aufträge ist an die NOB-Tochterfirma Rohde in Husum angegliedert.“ Darüber hinaus profitiere Veolia direkt von den als Auslandseinsätzen verharmlosten Kriegsbeteiligung der Bundeswehr. „In den Feldlagern und den Kampfschiffen der Bundeswehr ermöglichen Wasseraufbereitungsanlagen der Veolia-Tochter „ELGA Berkelfeld aus Celle die militärische Durchsetzung der deutschen Außenpolitik. Zu den Kunden Veolias würden außerdem die Militärs aus Indonesien, der Türkei, Jemen, Vereinigte Arabische Emirate und Oman gehören. „Die dort von Veolia unterstützten Militärs sind maßgeblich für die viel zu oft schlechte Menschenrechtslage in den jeweiligen Ländern verantwortlich. Und die Veolia-Anlagen ermöglichen ihnen Mobilität im Land“ erklärt Valeska Petersen weiter. „Und auch am Ende der militärischen-industriellen Nahrungskette geht es bei Veolia unappetitlich zu: Größte Einzeleigner sind neben einem französischem Pensionsfonds der Atomkonzern EDS und die Rüstungsfirma Dassault Mirage“. Die Atomkraftwerke von EDS seien fest in die Logistik für das französische Nuklearwaffenprogramm eingebunden und Dassault Mirage liefere neben den bekannten Kampfflugzeugen auch militärische Software. „Veolia: Doof!“ fasst Cecile Lecomte, eine der beklagten AktivistInnen ihre Kritik zusammen.
Die Versammlungsfreiheit vor Gericht
Wie in den beiden vorherigen Verfahren in Sachen „antimilitaristische Gleisblockade“ stand auch diesmal vor dem Gericht das Recht auf Versammlungsfreiheit zur Disposition. Das Gericht entschied, dass die Frage des Versammlungsrechts für die Frage der sogenannte Störerhaftung keine Rolle spiele. Die durch die Polizei veranlasste Zerteilung des Gleises und die anschließende Reparatur sei den Aktivistis zuzurechnen, auch wenn sie sich zum Zeit des Zugausfalls längst in Gewahrsam befunden hätten. Um eine juristische Überprüfung des Versagens der Versammlungsfreiheit zu erschweren, senkte die Richterin den an Veolia zu erstattenden Betrag von geforderten 1078 auf 267 Euro. Das Einlegen einer Berufung ist laut Zivilprozessordnung (ZPO) nur bei einer höheren Schadenshöhe möglich. „Der Trick, um uns die Möglichkeit der Berufung zu nehmen, führt immerhin zu einer deutlichen Reduzierung der Forderung“ sagte eine der Betroffenen. Allerdings dürfe man angesichts dieses Teilerfolgs nicht in die Versuchung geraten, das Urteil als „Sieg“ zu vermarkten: „Veolias erfundene Teilforderung wurde zwar abgewiesen, aber als wünschenswert lässt sich ein das Versammlungsrecht suspendierendes Urteil beim besten Willen nicht beschreiben“ sagte Valeska Petersen zum Urteil.
Weiterer Flop für Veolia vor Gericht
Die Entscheidung des Husumer Amtsgerichtes ist nicht die einzige Schlappe Veolias in jüngster Zeit vor Gericht. Am 14. Februar 2013 hatten die Anwälte Veolias die ProduzentInnen des Films „Water makes Money“ in Paris vor Gericht stellen lassen. Der Film zeigt die Geschäftspraktiken der Firmen Veolia und Suez France. Die „privat-public-partnership“ -Methoden der Firmen im Bereich der Wasserversorgung werden im Film als umweltzerstörend, ausbeuterisch und korrupt dargestellt. Besonders am letzten Vorwurf stieß sich der Konzern, und ließ das Filmteam und einige im Film gezeigte Zeugen wegen „Übler Nachrede“ vor Gericht zerren. Dort präsentierte die Verteidigung einen Vormittag lang dem Gericht Zeugen und Dokumente. Dies geschah derart überzeugend, dass selbst der Staatsanwalt am Ende kein strafbares Verhalten der Angeklagten in den im Film dargestellten Sachverhalten erkennen konnte und das Verfahren mit Freispruch endete.
Mehr Infos dazu: https://www.watermakesmoney.org/
Welche Konsequenzen hat das Urteil?
Die Entscheidung ist bei weitem nicht unerheblich. Sie zeigt, dass beim Thema „Militärtransporte“ im demokratischen Regime angebliche Selbstverständlichkeiten wie Grundrechte nicht unbedingt die Würdigung erfahren, die angesichts der allgegenwärtigen Demokratie und Rechtsstaatspropaganda zu erwarten wäre. „Militärtransporte sind ein Dreh- und Angelpunkt einer weltweit angreifenden „Interventionsarmee“, zu der die Bundeswehr immer weiter umgebaut wird“ erklärt Valeska Petersen. „Außerdem sind sie sowohl politisch als auch aktionistisch sehr leicht angreifbar, da ihre Abwicklung regelmäßig an private Militärdienstleister wie die Bahn oder Veolia abgegeben wird“. Hier würden zwei Aspekte der neoliberalen Globalisierung zusammen kommen. Zum einen die militärische Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen durch Interventionsarmeen, die de facto Wirtschaftskriege führen, und zum anderen die angebliche Verschlankung der Staaten, die dazu führt, dass auch Aufgaben des Militärs an private Konzerne abgegeben würden. „Kein Wunder, dass sich hier auch die die Postdemokratie kennzeichnende Aushöhlung von Grundrechten zeigt“ analysiert Valeska Petersen das Urteil. Die Versammlungsfreiheit sei zwar nicht formal abgeschafft worden, spiele aber nur noch eine untergeordnete Rolle. „Allerdings zeigt das Urteil, das es lohnt, sich vor Gericht offensiv und politisch zu verteidigen“. Erst dadurch hätte die Aktion und die Kritik am Militär nachhaltig Aufmerksamkeit erfahren.
Bericht vom Prozess im März 2013 in Husum:
Mehr Infos zu Veolias Militärgeschäften:
https://veolianerven.blogsport.de/
Protest geht weiter
Am 24.06 wird auf dem Husumer Marktplatz die Bundeswehr Big Band spielen, welche über ihre Musikveranstaltung Akzeptanz für die Kriege Deutschlands sammeln möchte und damit einen Teil der Militarisierung darstellt. Zwar ist der Anlass scheinbar wohltätig, jedoch übersteigen die Kosten der Veranstaltung in der Regel die gesammelten Spenden bei weitem.
Am selbigen Tag um 16 Uhr wird daher ein letztes Vorbereitungstreffen im Husumer Speicher stattfinden um Protest gegen diese Propagandaveranstaltung zu organisieren. Es wird zum Bannermalen, Schilder basteln sowie zum erdenken und von möglichst vielen anderen bunten Protestformen eingeladen.