Husuma

28. Februar 2011

OLG verurteilt Antimilitaristin


Bis zu 14 000 Euro soll eine Friedensaktivistin an die DB Netz zahlen, weil sie sich im Februar 2008 in Ohrstedt/ Nordfriesland an die Bahnschienen gekettet hatte, um auf die Militärtransporte der Bahn und die sog. „Auslandseinsätze“ der Bundeswehr aufmerksam zu machen. Ihr Protest richtete sich grundsätzlich gegen die Existenz der Bundeswehr, also einer Institution, die Menschen zum Töten abrichtet. Richter William verkündete heute die Entscheidung des Gerichts, die Aktivistin sei dem Grunde nach schadensersatzpflichtig.



Straßentheater zum Auftakt

Der heutige Tag begann mit einem satirischen Straßentheater. AktivistInnen hatten sich als Freundeskreis Bundeswehrbahn mit Sekt und Smoking vor dem Gericht und in der Innenstadt Schleswigs positioniert, um die bevorstehende Verurteilung zu feiern und darauf anzustoßen, dass nun endlich „Freie Bahn für Militär- und Waffentransporte“ bestehe. Die Urteilsverkündung wurde wieder von der schleswig-holsteinischen Justizsondereinheit MEG (einer Anti-Terror-Einsatzgruppe) bewacht. Dementsprechend kam es auch an diesem Verhandlungstag wieder zu rabiaten Eingangskontrollen und willkürlichen Rauswürfen.
( Tolle Portrait-Fotos der MEG-GewalttäterInnentruppe finden sich übrigens auf Seite 20 dieser Broschüre: https://www.schleswig-holstein.de/cae/servlet/contentblob/973194/publicationFile/taetigkeitsbericht2010.pdf )

Erneute Verurteilung zu Lasten des Versammlungsrechtes
Nachdem bereits im vergangenen Jahr das Landgericht in Flensburg gegen die Friedensaktivistin entschieden und sie für dem Grunde nach schadensersatzpflichtig erklärt hatte, ging die Betroffene in Berufung. „Nach wie vor halte ich es nicht für möglich, mit Kriegsflugzeugen und Panzern gegen Hunger und Dürre zu kämpfen. Die Ursachen vieler Konflikte liegen in einer zutiefst ungerechten Weltwirtschaftsordnung, die wenige profitieren und viele bluten lässt. Genau das sichert die Bundeswehr ab und dagegen wehre ich mich mit kreativen Aktionen. Dass ich dafür dann vor Gericht lande, ist zwar anstrengend und nicht erfreulich, aber auch nicht überraschend, denn Gerichte sind dazu da, Zustände wie sie sind zu erhalten und möglichen Widerstand gegen herrschende Verhältnisse zu erschweren.“

Nur die Schadenshöhe muss noch einmal verhandelt werden
Juristisch von Belang war in der Auseinandersetzung vor allem die Frage, ob die Bahn als Staats-Unternehmen an das Grundgesetz gebunden sei und somit die Aktion als Versammlung hätte behandeln und rechtmäßig auflösen müssen. Eine Versammlungsauflösung hat es im vorliegenden Fall nie gegeben. Vor dem Hintergrund der erst wenige Tage alten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt dieser Frage noch einmal mehr Bedeutung zu. In einem Fall einer Demonstration am Frankfurter Flughafen hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am vergangenen Dienstag, 22. Februar 2011, entschieden: „Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform unterliegen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.“

Weitere Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu erwarten
Das Oberlandesgericht Schleswig hatte in der mündlichen Verhandlung Anfang des Monats eine gegensätzliche Rechtsauffassung vertreten. In Anbetracht des Karlsruher Urteils beantragte der Anwalt der Aktivistin daher eine Aufhebung des Urteilstermins und die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Diesem Antrag kam das Gericht nicht nach, sondern verkündete, ohne ausreichend auf die vorgebrachten Argumente einzugehen, das Urteil. Darin heißt es: „Die Versammlungsfreiheit kann Verhaltensweisen, die dem Einzelnen verboten sind, nicht deshalb rechtfertigen, weil sie in Form einer Versammlung praktiziert werden. Sie gibt einem Versammlungsteilnehmer nicht das Recht, im Rahmen der Versammlung Dinge zu tun, die er als Einzelner nicht tun dürfte.“ Wie absurd diese Argumentation ist, zeigt sich an der Tatsache, das Versammlungen meistens auf Straßen stattfinden. FußgängerInnen bewegen sich in einem Verkehrsbereich, der eigentlich Autos vorbehalten ist. Einzelpersonen ist dies verboten, als Versammlung ist es erlaubt. Die Festlegung der Höhe des Schadensersatzes wurde zurück an das Landgericht Flensburg verwießen.

Weitere Prozesse gegen AntimilitaristInnen

Die Prozesse um die Gleisblockade sind damit noch nicht vorbei. Die norddeutsche Justiz verfolgt noch drei weietre AktivistInnen wegen angeblicher Beihilfe, und der auch als Militärdienstleister tätige multinationale Dienstleistungs-schrottreif-Privatisierungskonzern Veolia fordert Schadensersatz für Schienenersatzverkehr. Mehr Infos zur Schadensersatzforderung durch Veolia


Interessant: Der Schleswiger Polizeichef Lohmeyer (links) trug im Gegensatz zum ersten verhandlungstag KEIN Namensschild. Am ersten Prozesstag rastete sein Kollege Paulsen aus, und schlug mit dem Schlagstock zu, und traf eine fotografierende Person auf Kopfhöhe. Die namendliche Zuordnung gelang nur aufgrund des Namensschildes. Zudem weigerte der direkt neben dem Geschehen stehende stellvertretende Polizeichef Michael Trede sich, eine Anzeige aufzunehmen. Und nun geht Lohmeyer, der mindestens einen Schläger und mehrer Täterschützer in seiner Wache hat, mit gutem Beispiel voran, und verzichtet auf das „freiwillige“ Namensschild, anstatt sich aktiv um die Aufklärung der Gewalttaten und Straftaten seiner Kollegen zu kümmern… So sieht der Rechtsstaat aus…

1 Kommentar »

  1. […] die bei einer Protestaktionen einen Militärtransport der Bundeswehr aufgehalten hatte, zu Schadensersatz. Während dessen geht die Schleswiger Polizei gewalttätig gegen UnterstützerInnen der Angeklagten […]

    Pingback by Polizei-Doku Schleswig, Teil 2, Die Dienstaufsichtsbeschwerde | Krieg? Nirgendwo! — 8. März 2013 @ 13:39

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