Husuma

11. November 2010

FL: Gleisblockadenberufung hat begonnen


Verurteilung bereits jetzt offensichtlich +++ Pflichtverteidigung
abgelehnt +++ „Mag unser Oberlandesgericht dazu Stellung nehmen“ +++ Militärangehöriger als Schöffe: „Nicht befangen!“ +++ weiter gehts am 17.11.

Eine 25-jährige Aktivistin steht seit heute in Flensburg vor Gericht. Die Vorwürfe gegen sie lauten Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe. In erster Instanz wurde sie vom Amtsgericht Husum wegen einer antimilitaristischen Blockadeaktion zu 120 Tagessätzen verurteilt. Gemeinsam mit weiteren Friedensaktivist_innen war es ihr im Februar 2008 gelungen, anlässlich einer Protestaktion die Weiterfahrt eines Militärtransportes der Bundeswehr auf dem Weg zu einem NATO-Response-Force-Manöver für mehrere Stunden zu verzögern.

Verurteilung jetzt schon absehbar
Ein Transparent vor dem Gericht und solidarische Zuschauer_innen begleiteten den heutigen Prozessauftakt. Der Prozess begann mit einem Antrag der Angeklagten auf Pflichtverteidigung, da hier ein komplexer Sachverhalt verhandelt werde. Die Rechtslage sei überhaupt nicht eindeutig. Das Gericht widersprach dieser Einschätzung nicht, fügte aber an, es gäbe in ähnlichen Fällen bereits Urteile, weswegen eine Pflichtverteidigung nicht notwendig sei. „Diese Einschätzung des Gerichts ist absurd, denn die bisher in ähnlichen Fällen gefällten Urteile sind widersprüchlich und für juristische Laien nahezu undurchschaubar. Eine Pflichtverteidigung hätte in jedem Fall gewährt werden müssen“ so ein Prozessbeobachter. Richter Grisée kommentierte die Erwiderung der Verteidigung nur lapidar mit den Worten: „Mag unser Oberlandesgericht dazu Stellung nehmen!“. „Bereits hier zeigte sich deutlich, dass auch diese Verhandlung die übliche Farce wird!“ sagte die Angeklagte. Der Verweis auf das OLG zeige, dass Richter Grisée bereits mit einer Revision der Verteidigung rechne; dies setze eine Verurteilung
voraus.

Vernehmung des Zugpersonals
Geladen waren die Lokführer und Fahrdienstleister, die zum genauen Ablauf der Rangierarbeiten und Streckensperrungen befragt wurden. Der demonstrative Charakter der Aktion wurde mehrmals betont und das Gericht räumte ein, dass die Rechtseinschätzung der ersten Instanz zum Thema Versammlungsrecht so wohl nicht haltbar sei. Das Amtsgericht in Husum hatte in erster Instanz geurteilt, die Aktion sei keine Versammlung gewesen, da sie nachts und abgelegen stattgefunden hätte. Die Angeklagte erklärt dazu: „Ich bin weiterhin der Meinung, dass es zu keiner Zeit eine Pflicht zur Entfernung von den Gleisen gegeben hat, da die Versammlung nicht aufgelöst wurde. Ich rechne dennoch mit einer Verurteilung, denn es entspricht der Rolle der Gerichte, die kriegerischen Einsätze der Bundeswehr zu decken und Widerstand dagegen zu kriminalisieren.“

Ein Militär als Schöffe?
In einer Verhandlungspause erfuhr die Angeklagte, dass einer der zwei Schöffenrichter beruflich bei der Bundeswehr tätig ist. Sie stellte daraufhin sofort einen Ablehnungsantrag wegen des Verdachtes der
Befangenheit. Den lehnte der vorsitzende Richter jedoch ab. Der Schöffe Kowalski arbeite zwar in der Streitkräftebasis, und bilde Soldaten in Fernmeldetechnik aus. Daraus leite sich jedoch noch keine Befangenheit ab. Die Angeklagte dazu: „Deutlicher kann eine Befangenheit kaum sein: In unserer Pressemitteilung vom Februar 2008 fordern wir die Abschaffung der Tötungsinstitution Bundeswehr und nun soll ein Bundeswehrangehöriger darüber entscheiden, ob meine Handlungen oder nicht vielmehr die Kriege
der Bundeswehr verwerflich sind- das Ergebnis steht doch fest“. Die Streitkräftebasen stellen zudem die Logistik für die als Auslandseinsätze verharmlosten Kriegsbeteiligungen bereit. „Und gegen genau diese richtete sich die verhandelte Aktion!“ sagte die Angeklagte. Sie blickt trotz allem optimistisch auf die kommenden Prozesstage: „Jeder Prozess bietet eine Plattform, die Inkompetenz der Polizei und den grausamen Krieg der Bundeswehr zu thematisieren- das finde ich wichtig und dafür lohnt es sich.“

Der Prozess wird am 17. und 19.11. jeweils um 9.00 Uhr vor dem Landgericht Flensburg fortgesetzt.

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