Husuma

18. April 2009

Krisengewinnler der besonderen Art


Nicht alle sehen die Krise negativ. Für einige bietet sie die Chance, sich als Absahner_In und Krisengewinnler_In zu betätigen. Ein Einblick in dieses „buissness“ bietet sich am 28.4.09, im Speicher in Husum, wenn ATTAC auch in Husum versucht, mit der Gründung einer Ortsgruppe aus der allgegenwärtigen Krisenstimmung Kapital zu schlagen.

Attac- ein Symbol für Antikapitalismus?
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac wird seit den Protesten Ende der 90zieger Jahre gegen den Internationalen Weltwährungsfonds und die Weltbank als die Stimme der antikapitalistischen Bewegung wahrgenommen. Doch kein Eindruck könnte trügerischer sein. Sowohl die Forderungen Attacs, als auch das konkrete Vorgehen der Organisation sind wenig emanzipatorisch.

Emanzipation durch die Tobin Steuer?
Die Hauptforderung Attacs, die gerade in der Finanzkrise aktuell ist, ist die Tobin-Tax. Diese Steuer ist eine Abgabe auf aus Währungsspekulationen erzielten Gewinne, die diese unrentabel machen soll, um auf diese Weise die Weltwirtschaft zu stabilisieren. Die aus dieser Steuer generierten Mittel sollen laut Attac zum Abbau der weltweiten Armut verwendet werden. Das die Idee einer neuen Steuer wenig emanzipatorisch ist, zeigt sich schon an einigen wenigen Fragen: Wer soll z.B. die Steuer eintreiben und die Mittel verteilen? Deutschland? USA? EU? UNO? Und was soll diese Steuereinsammelstelle tun, wenn jemand seine Steuer nicht zahlt? Soll der internationale Gerichtshof in Den Haag eine Kammer für Tobin-Tax-Sünder bekommen? Was, wenn die Regierung eines Landes sich weigert, die Devisensteuer in die nationale Gesetzgebung aufzunehmen? Dürfen dann Interventionstruppen der Steuerfahndung diese Länder überrennen? Allein schon diese Fragen zeigen, dass die Einführung der Tobin-Tax mit einer Ausweitung der globalen Herrschaftsverhältnisse verbunden wäre, statt diese abzubauen, um den betroffenen Menschen mehr Autonomie beim Lösen ihrer Probleme zu ermöglichen.

Ausbeutung trotz Attac
Des weiteren kann eine neue Steuer viele Probleme des kapitalistischen Ausbeutungsalltags nicht lösen: Arbeit und Produktionsprozesse werden nicht netter, nicht besser, nicht gesünder, nicht umweltfreundlicher, nicht weniger werden, nur weil es noch eine Steuer gibt. Eine Steuer wird das weltweite Auseinanderdriften der Lebensqualität zwischen den Zentren der kapitalistischen Herrschaft und ihrer Peripherie nicht überwinden. Und ob die Mittel aus einer neuen Steuer wirklich in der Peripherie landen werden, ist mehr als unsicher, da Gremien in den Zentren über deren Verwendung befinden. Außer ener zusätzlich zu zahlenden Steuer wird die Umsetzung der Hauptforderung Attacs genau gar nichts zum besseren wenden, sondern im Gegenteil vielleicht sogar eine diskursive Legitimation zur Ausweitung globaler Herrschaftsverhältnisse liefern.

Nicht einmal die aktuelle Krise hätte durch eine Tobin-Tax verhindert werden können, da sie gar nicht durch Währungsspekulationen, auf die sich die Tobin-Tax bezieht, ausgelöst wurde. Statt dessen entstand die Krise durch Investitionen in Immobilien, die in der Atta-Logik als „gut“ gelten, und deshalb als sogenannte „Realinvestitionen“ gefördert werden sollen.

Auch die aktuellen Forderungen nach einer Verstaatlichen wahlweise der Energiekonzerne oder der Banken weißt eher den Weg zur Stärkung der demokratischen Verwaltungsapparate, als in eine herrschaftsfreie Gesellschaftsutopie. Zwar fordert Attac eine „demokratische Kontrolle“, doch wie wenig Individuen im demokratischem Regime zählen, zeigt sich jeden Tag aufs neue. Einmal ganz abgesehen von der Frage, wo sich zwischen „Volksherrschaft“ (Demokratie) und Kontrolle etwas Emanzipatorisches verstecken soll.

Beim konkreten Vorgehen hingegen weisen Attacs Methoden hingegen weit in die Zukunft. Zwar sind die Ortsgruppen relativ unabhängig von der Zentrale in Frankfurt, und können relativ frei entscheiden, welche Politik vor Ort von ihnen umgesetzt wird. Vom Zugang zum medialen Diskurs sind sie jedoch weitgehends ausgeschlossen. Dieser ist in der Zentrale in Frankfurt monopolisiert. So kommt es, dass die Attac-Aktiven „aus Effektivitätsgründen“ teilweise erst aus der Zeitung erfahren, welche Positionen ihre Organisation zu aktuellen Themen vertritt. In der medialen Rezeption spielen die Ortsgruppen einfach keine Rolle-außer als Demobilderfüllmaterial, über dessen Beweggründe zu protestieren, die Attac-Funktionär_Innen anschließend öffentlichkeitswirksam orakeln.

Den Kapitalismus nochmal 50 Jahre marschfähig machen
Hier zeigt sich eine Wirkungsweise eines subtilen Herrschaftssystems: Die subversive Herrschaft. Attac stellt vom bisherigem System enttäuschten Menschen ein harmloses Ventil für ihr Engagement bereit, und bekommt dafür im Gegenzug als selbsternannte VertreterIn der „Zivilgesellschaft“ einen Zuschauer_Innenplatz in der zweiten Reihe am Tisch der Privilegierten. So werden „Aussteiger“ zurück ins System re-integriert, und die Legitimation des demokratischen Herrschaftsregimes für die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse noch für einige weitere Jahre gerettet.

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