Husuma

26. März 2008

Ein Nazi will Landrat werden


Zur Landratswahl 2008 schickt auch die NPD einen Kandidaten ins Rennen. Der Ohrstedter Arne Kähne will für die Nationalisten das Amt des nordfriesichen Verwaltungschef einnehmen. Doch auch ohne die NPD verschieben sich die gesellschaftlichen Realitäten immer mehr ins Autoritäre.

Der Markplatz im Zentrum wird heute sonderbar gemieden. Nur wenige Menschen verirren sich direkt in seine Mitte. Der unappetitliche Grund: Ein Infotisch der NPD. Bis auf ein paar couragierte etablierte ParteisoldatInnen, die auf einen entsprechenden Anruf bei der Polizei gesagt bekommen, dass das alles seine Ordnung habe, passiert nichts. Auch die angeblich radikale Linke ist nicht besser: Außer platte mackerige Parolen fällt den Wenigsten etwas ein. Und selbst dieses Wenige ist leider auf Grund hierarchischer und intransparenter Strukturen spontan nicht organisierbar. Noch ist dies reine Vermutung, doch wahrscheinlich wird sich bald zeigen, wie realistisch diese Einschätzung war, denn die NPD beteiligt sich mit einem Kandidaten an der Landratswahl in Nordfriesland am 16. September.

Wahrscheinlich macht sich bei der NPD niemand ersthafte Hoffnungen auf einen Wahlsieg. Aber darum geht es auch gar nicht. Die Kampagne ist ein Testläufer für die Kommunalwahlen am 25.5.2008. Die Rechtsextremisten loten bei der Landratswahl aus, wie es um ihre eigene Mobilisierungsfähigkeit steht, in welchen Gemeinden sie gut ankommen, und wo sie mit Widerstand zu rechnen haben.
Billigere Markforschung gibt es kaum… Bisher scheint es gar nicht schlecht um die Chancen der rechten Recken zu stehen. Die Aktionen in Kropp (9.6.), Leck (23.6) und mehrere im Husumer Umland (14.7.) beweisen das.

Auch mit dem Echo in der Presse klappt es: Als es Anfang des Jahres in Rieseby zu einer landesweit beachteten rechtsextremistischen Äußerung eines Schülersprechers kam, gelang es der NPD mit einer Flugblattaktion auf den Zug aufzuspringen. Ähnliche Aufmerksamkeit dürften sich die Rechtsextremisten auch im Zuge der Kandidatur erwarten. Die Strategie geht auf: am 4.9. in der Niebüller Stadthalle und am 6.9. in der Husumer Irene-Thordsen-Halle stellen sich alle Kandidaten öffentlich vor. Selbstverständlich einschließich des NPD-Kandidaten.

Eine ebenfalls nicht zu unterschätzende Faktor stellen die Infotische dar: Es geht darum in Kontakt mit SympathisantInnen zu kommen, und sie gegebenenfalls zum Mitmachen zu gewinnen. Auf diese Weise lässt sich die Ressourcenlage bis zur Kommunalwahl erheblich verbessern. Gerade aus diesem Grund sollte dem aktuellen Treiben durchaus Aufmerksamkeit geschenkt werden.

All diese blendet allerdings ein nicht ganz unwesentliches Detail aus: Auch ohne NPD geht es in Nordfriesland schon ziemlich ungemütlich zu. In wie weit die demokratischen Kräfte längst autoritäre Ordnungsfantasien umsetzen, soll folgende Aufzählung zeigen:

-Nordfriesland nimmt seit der Harz 4- Einführung an einem Versuchsprojekt teil, bei dem die Kommune die Arbeitslosen selber vermittelt und unter Druck setzten darf (basierend auf einer Idee von Roland Koch).


-Der Kreis Nordfriesland (wer immer das auch ist) fühlt sich ausdrücklich mit dem seit 1919 auf polnischem Staatsgebiet liegendem westpreußischem Netzekreis verbunden (was immer mit dieser „Verbundenheit“ auch gemeint sei…).

-Das Ordnungsamt unter Herrn Jakobsen erteilte für linke Demonstrationen in den letzten Jahren teilweise sehr strikte Auflagen was das Mitführen von Anlagen, das Benutzen von Straße (nur der linke Fahrstreifen…) etc. betreffen. Bei der zweiten „Makitus bleiben“-Demo wurde sogar versucht, Kreidemalen zu verbieten.

-In der Husumer Polizeiwache herrscht ein gegen Randgruppen gerichteter sozialrassistischer und männlich-dominanter Gestus vor, der im Sommer 2006 dazu führte, das der Polizist Ferdinand Frenzer offen über die Speicher-Jugendgruppe und deren seiner Meinung nach vorhandenen Verstrickungen in militante Aktionen gegen die Bundeswehr spekulierte.

-In der Berichterstattung über die Vorfälle in der Husumer Kirche schreiben die Husumer Nachrichten pauschal dass Punks, Skater und Jugendliche die Verantwortlichen seien. Auf Nachfrage, aus welcher Quelle diese Information stamme, behauptet der betreffende Journalist, diese Pauschalverurteilungen seien von Pastor Mörs in einem Pressegespräch getätigt worden.

-Die Husumer Stadtverordneten glauben anscheinend, die dahinter stehenden sozialen Probleme mit mehr Befugnissen für eine ohnehin schon gewalttätige Polizeitruppe lösen zu können.

-SPD-Kreisvorsitzender Ralf Hessmann erteilte einem Friedensaktivisten Hausverbot an dessen Arbeitsplatz, weil dieser sich mit Straßentheater friedlich gegen die Bundeswehr engagiert hatte. Hessmann ist Berufssoldat und in Husum für Propaganda-Events zuständig.

-Die Ausländerbehörde war sich nicht zu fein, die Wahlen im Kongo 2006 als Beleg für dessen Ungefährlichkeit zu werten, um zu versuchen eine seit über zehn Jahren in Husum lebende Familie in ein ungewisses Schicksal abzuschieben.

-Die Geschäftsführerin des von der NPD als linksextrem eingestuften Kulturzentrums Speicher denunziert politisch aktive Menschen als „überzeugte Antifaschisten“ beim Staatsschutz.

Das Wahlprogramm der NPD erscheint dagegen fast harmlos. Und das ist der Grund, warum sich die etablierten Parteien vor der NPD fürchten. Die NPD kann es sich erlauben, viele in der Bevölkerung vorhandene Vorurteile offener zu benennen, als die etablierten Parteien es vermögen (ist der Ruf erst ruiniert….). Die anderen Parteien fürchten weder die Ziele, noch die Politik der NPD, sondern ihren eigenen Stimmverlust.

Das zeigte sich auch in den Gerichtsverfahren gegen zwei Husumer Punks. Die Behauptungen der Rechtsextremisten zerpflügte der Staatsanwalt (Husums Linke schafft dies nicht selbst), während die Behauptungen der PolizistInnen fast unhinterfragt blieben (auch wegen der Schwäche der Verteidigung) und schließlich zu Verurteilungen führten. An einem „Sieg“ der NPD ist den etablierten Kräften nicht gelegen, aber an der Verfolgung vom Randgruppen wird sich aktiv beteiligt. Und wenn mensch eine Hierarchieebene tiefer bei der Exekutive schaut: Wer braucht da noch die NPD zum Umsetzen einer autoritären rassistischen Gesellschaftspolitik?

Tatsächlich sind es gerade DemokratInnen, die zurzeit den Takt bei der Ausweitung von autoritären Gesellschaftsmodellen vorgeben. Im Kleinen zeigt sich dies, wenn sich in einem Forum einer Tageszeitung unter dem Artikel über die Geschehnisse in der Marienkirche Kommentare wie dieses finden: „Ich bin zwar waschechter Demokrat, aber hier hilft nur noch hart durchgreifen!“ Im Großen lässt sich dies betrachten, wenn DemokratInnen Kriege anzetteln, und diese wahlweise mit dem Schutz der Demokratie oder der Pflicht, diese weiter zu verbreiten, rechtfertigen.

Doch verzweifeln und in den Elfenbeinturm zurück ziehen ist gerade jetzt falsch. Und statt nur NPD-Propaganda anzugreifen, gilt es, die dahinter stehenden Politkonzepte zu diskutieren. Und natürlich kann sich dieser Prozess nicht nur auf die NPD konzentrieren, wenn er erfolgreich sein will, sondern muss auch die Aktionen und Positionen der anderen Parteien miteinbeziehen.


Fanpost an Arne Käehne: Norderende 45 25885 Oster-Ohrstedt

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