Husuma

1. Mai 2006

Zu Risiken und Nebenwirkungen


Seit diesem Jahr dürfen in der EU genetisch manipulierte Pflanzen zu kommerziellen Zwecken angebaut, verarbeitet und in den Handel gebracht werden. Du Folgen und Risiken sind jedoch nach wie vor unabsehbar.

Dunkle Gestalten ziehen durch den Koog. Sie laufen quer über die Felder. Der strömende Regen scheint sie nicht zu stören. Im Gegenteil. Seit Tagen haben sie darauf gewartet. Jetzt regent es schön seit zwei Tagen. Niemand, der nicht muss, geht vor die Tür. Der schwere, durchweichte Marschboden klebt an ihren Stiefeln, die in Plastiktüten stecken, damit sie kein Profil hinterlassen. Plötzlich stoppt die Erste. Sie haben ihr Ziel erreicht. Im fahlen Mondlicht kramen sie aus ihren Jackentaschen Maleranzüge aus Plastik hervor. Sie wollen nicht, das die Pollen der Pflanzen, die sie ausreißen, über ihre Kleidung weiter verbreitet werden. Denn auf dem Feld, vor dem sie stehen, wächst kein gewöhnlicher Mais. Die Pflanzen wurden genetisch manipuliert. Das ist seit Anfang diesen Jahres erlaubt. Und die Aktivistis sehen nicht ein, dass die damit verbundenen Risiken eingegangen werden. Deshalb werden sie es jetzt abräumen.

Die EU-Genverordnung
Noch ist dieses Szenario Fantasie, doch leider könnte es bald Realität werden. Seit diesem Jahr hat die EU und danach der Bundestag ein Gentechnikgesetz verabschiedet, das den Anbau und die Verarbeitung von genetisch manipulierten Organismen (GMO) regelt. Natürlich viel zu lasch. Der erste Kritikpunkt ist, das Gentechnik überhaupt erlaubt ist. Trotzdem bejubeln die Grünen es, weil das Gesetz ja so strenge Richtwerte habe. So müssen zum Beispiel Lebensmittel, die GMO enthalten gekennzeichnet werden. Allerdings müssen „Verunreinigungen“ bis 0,9% für jede Zutat nicht angegeben werden, da dies durch „zufällige oder technisch unvermeidbare“ Verunreinigungen entstünde. Anders formuliert: Zu hundert Tonnen einer Zutat darf ich 900kg Gendreck kippen, ohne die Konsumentis informieren zu müssen. Unabsichtlich gesteht das Gesetz das Debakel der Gentechnik offen ein: Einmal eingeführt, gibt es aus „technisch unvermeidbaren Gründen“ kein Zurück mehr. Beim Saatgut liegt die Kennzeichnungspflicht zwischen 0,3 und 0,5%. Das wird beim Mais dazu führen, dass auf der Gesamtanbaufläche der EU (nur die alten 15) jährlich bis zu 2,5 Milliarden genetisch veränderte Pflanzen wachsen. Plus die, die als GMO gekennzeichnet sind.

Das kleinere Übel

In den Ländern der EU sind 80% der Menschen gegen Gentechnik. Dass sie trotzdem erlaubt ist, zeigt sehr deutlich, Entscheidungsfindung in der EU funktioniert. Was die Menschen wollen, ist völlig egal. Auch den Grünen, die an der Umsetzung maßgeblich beteiligt waren. Nur Konzerninteressen werden berücksichtigt. Dass die Gentechnik unter Rot/Grün auf den Weg gebracht wurde, zeigt sehr deutlich, wie wenig Spielraum im Parlamentarismus bleibt: Eine Partei (die Grünen) verspricht ihren Wählern gegen Gentechnik zu sein, und eine grüne Verbraucherministerin führt Gentechnik ein. Eigentlich führt dies sehr deutlich vor Augen, das Wahlen nur die Funktion haben, das Herrschaftssystem zu legitimieren, damit die allgemeine Ausbeutung ungestört weitergehen kann. Aber auch bei den nächsten Wahlen werden bestimmt ganz viele linke Gutmenschen das „kleinere Übel“ wählen…

Akzeptanzbeschaffung

„Aber meine Herren, das ist doch kein Grund zur Besorgnis. Wir sind lediglich bemüht Ihre Produkte zu optimieren. Wir alle müssen uns an die neuen Gegebenheiten anpassen. Nur so können Sie und wir im globalen Wettbewerb bestehen!“ Doch das Raunen im Saal beruhigt sich nur langsam. Gerade hat der Referent der Futtermittelindustrie den Bauern der Genossenschaft auf ihrer Jahreshauptversammlung eröffnet, das es nur noch „neue“ Futtermittel zu kaufen gäbe, die viel besser, billiger und toller seien, da sie aus komplett
neuen Pflanzen produziert würden. Langsam erhebt sich einer der Landwirte, nachdem er
noch einen großen Schluck aus seinem Glas genommen hat: „Das heißt, Sie verkaufen bloß noch Futter, das genetisch veränderte Pflanzen enthält?“„Mein Freund, selbstverständlich sind wir bemüht, Gutes und Altbewährtes mit Neuem zu verbinden. Ich versichere ihnen, ihre Betriebe werden von diesen Innovationen nur Vorteile haben! Und bedenken sie: Die Konkurrenz in Polen, Frankreich oder China schläft nicht.“ „Aber was ist mit den Risiken? Ist das über- haupt ausreichend erforscht?“ Die Stimme kam aus einer anderen Ecke des Saals. Der Referent lacht: „Ach, glauben Sie wirklich alles, was diese grünen Ökospinner an Horrormärchen verbreiten? Die ruinieren doch unser Land mit ihrer Gefühlsduselei! Und die Presse stürzt sich immer auf die wie die Fliegen! Dabei haben wir doch überhaupt keine Alternative. Wenn wir es nicht machen, dann macht es wer anders. Und die haben dann die Profite. Oder wollen sie etwa nur wegen ein paar Hippies leer ausgehen?“

Futtermittel

Das Gentechnikgesetz hat noch eine gravierende Schwäche: Futtermittel mit GMO müssen gekennzeichnet werden. Der Käse, das Fleisch und die Milch aber nicht, selbst wenn die Tiere mit GMO-Futtermittel gemästet wurden. Diese Lücke führt dazu, dass die Futtermittelhersteller bloß noch Genfutter verkaufen. Die Bauern haben bloß noch die Wahl, entweder biologisch-ökologische Futtermittel (die teurer sind) oder Gendreck zu verwenden. Auf diese fiese gemeine Art werden viele Bauern „freiwillig“ gemacht, und aus betriebswirtschaftlichen Gründen gezwungen, Gendreck an ihre Tiere zu verfüttern. Erst damit entsteht überhaupt eine Absatzmöglichkeit für genetisch manipulierte Pflanzen. Außerdem gelangen so GMO in die menschliche Nahrungskette. Denn obwohl die Konzerne das Gegenteil behaupten, sind die Folgen von GMO nicht erforscht. Immer wieder sterben in Fütterungsversuchen Tiere ohne erkennbaren Grund, und GMO ist in der Milch von Kühen nachweisbar, wenn sie mit Gendreck gefüttert wurden. Davon, das überhaupt Tiere für eine neue Technologie, deren Nutzen umstritten ist, geopfert werden, ganz zu schweigen.

Futtermittelhandel in Nordfriesland
Der Futtermittelmarkt ist beinahe ein Kartell: Es gibt ATR (Arp, Thordsen, Rautenberg) und Raiffeisen HaGe, die teilweise der VR-Bank gehören. Beide Unternehmen verkaufen kein rein konventionell erzeugtes Tierfutter mehr, sondern bloß noch Mischungen mit GMO-Anteilen. Den Bauern wird dies mit dem üblichen BlaBla schmackhaft gemacht, und da sie nur die teure Bio-(Schein)Alternative haben, regt sich kaum Widerstand und sie machen mit. So werden GMO durch die Hintertür in die menschliche Nahrung eingebracht und quasi „nebenbei“ die Akzeptanz von GMO bei den Bauern und Konsumis eingeholt.

Das Auskreuzungsrisiko
Doch das schwerste Argument gegen Gentechnologie ist, das es unmöglich ist, sie wieder abzuschaffen. Denn niemand kann einer Biene befehlen, wohin sie fliegen soll, oder dem Wind, wie er zu wehen hat. Niemand kann also verhindern, dass GMO-Pollen durch die Landschaft geweht werden, und sich mit natürlichen Pflanzen kreuzen. Welche Folgen das hat, kann niemand vorhersagen. Nur werden sich die Folgen nie wieder beheben lassen. So nebenbei macht das Auskreuzungsrisiko biologische Landwirtschaft unmöglich, da kein Bioerzeuger mehr garantieren kann, das in seinen Produkten keine GMO sind. Aber das stört die Industrie wahrscheinlich eher wenig.

Die Milch
„Das gibt es doch nicht. Bitte bringen Sie mir einen Kaffee!“ Schon wieder lagen auf seinem Schreibtisch unzählige Briefe. Er konnte sich schon ausrechnen, wie sie anfingen: „Sehr geehrter Herr Hansen, mir ist zu Ohren gekommen, das ihr Unternehmen nur noch genetisch manipulierte Futtermittel anbietet. Da ich aber nicht bereit bin, die Risiken dieser Technologie zu tragen, habe ich beschlossen, bloß noch Bio-Produkte zu kaufen.“ Das ging jetzt schon zwei Wochen so. Er setzte sich erst einmal. Kaum hatte er Luft geholt, da klingelte das Telefon: „Hallo, hier Paulsen vom Vertrieb. Die Zahlen von letzter Woche: Minus 23% Umsatz beim Futtermittel. Die Bauern fragen nach einer „Genfrei“-Garantie. Und brauchen dann ihre Vorräte auf, anstatt Neues zu kaufen. Was soll ich ihnen sagen?“ „Das Übliche: Mit modern und so.“ Kaum hatte er aufgelegt, klingelte es wieder: „Abteilung Werkschutz. Die LKW können nicht raus, weil so ein Haufen Ökos das Tor blockiert und Flugzettel verteilt.“ „Ruhig bleiben. Lass sie machen. Ruf die Polizei.“ Er legte auf. Seit zwei Wochen war jeden Tag etwas anderes. Und jetzt auch die Bauern. Die Tür ging auf: „So Herr Hansen, ihr Kaffee.“ Seine Sekretärin stellte vorsichtig die Tasse auf seinem Schreibtisch. Er stutzte. Sein Kaffee war schwarz. „Fräulein, ist die Milch etwa alle?“ „Oh nein, Herr Hansen. Es ist keine Biomilch. Und ich möchte nicht, das sie von den Futtermittelrückständen in der anderen krank werden.“ (Die Storys sind frei erfunden;-).

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