Husuma

27. Juni 2004

Kriegsdienstverweigerung in Bosnien


An Anfang nur eine gute Idee
Prigovor Savjesti – Kriegsdienstverweigerung im Pulverfass

„Ja, was soll ich sagen? Am Anfang dachten wir, das es eine gute Idee sei und wir es tun könnten. “sagt Darko von Prigorvor Savjesti, der bosnischen Kriegsdienstverweigerungskampagne. Darko ist ein vierundzwanzigjähriger Aktiver. Er ist so groß, dass man glaubt, er nähme den Platz im abgedunkelten Büro bereits alleine ein. Doch außer ihm und den Teilnehmern befinden sich in dem Raum Pläne, Zeittafeln und sonderbare Utensilien wie mit Erde gefüllte Stahlhelme, in denen Geranien wachsen. Der Beginn, von dem er spricht, war 1999, und die Idee, die Darko meint, ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in Bosnien. Dieses gab es bis dato in Bosnien faktisch nicht. So beschlossen er und einige andere junge Männer ein Netzwerk mit weiteren Organisationen zu gründen, das sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung einsetzt. Und dies ist in Bosnien bitter nötig, denn nur etwa 20 Prozent der Wehrpflichtigen wissen, dass es seit diesem Jahr ein Gesetz gibt, das Zivildienst möglich macht. Deshalb führt Prigorvor Savjesti eine breite öffentliche Kampagne durch, die von Demos über Seminaren, zu Lobbyarbeit reicht. Dabei nutzen sie Konzerte, Infostände, Runde Tische und Vorträge in Schulen.

Vielfalt dank Netzwerk
Diese gewaltige Vielfalt wird durch die basisnahe Netzwerkstruktur von Prigorvor Savjesti möglich gemacht. Jede lokale Unterstützerorganisation organisiert Aktionen, die genau zu ihrem Aktionsfeld passen. „Zum Beispiel ging ich zum Schuldirektor in meiner Heimatstadt und fragte ihn, ob ich vor den Schülern über Gewissensentscheidungen und Kriegsdienstverweigerung sprechen dürfte“, erklärt Darko. „Er war einverstanden.“

Nie wieder Krieg vs. Waffe unter Bett

So viel Verständnis ist in Bosnien-Herzegowina nicht selbstverständlich. Viele sehen die Kriegsdienstverweigerer als Weicheier, Spinner oder auch Verräter, denn der Krieg in den 90ern hat dazu geführt, dass zwischen den Ethnien extremes Misstrauen herrscht und viele Bosnier glauben, dass sie sich nur mit Waffen gegen ihre Nachbarn wehren können. Aber für die andere Hälfte der Menschen gilt: „Nie wieder Krieg!“ und aus diesem Pazifismus heraus wächst die Unterstützung für Prigorvor Savjesti. Ein weiteres Problem für die Kampagne ist die traurige Tatsache, das zwischen den Gesetzen und der Wirklichkeit oft riesige Unterschiede klaffen. So muss Prigorvor Savjesti bei der Lobbyarbeit praktisch mit „zwei Verteidigungsministerien in einem Haus“ verhandeln, da sowohl die Republika Srpska *(1) als auch die Bosniakisch-Kroatische Föderation ihre eigene Armee haben. Zudem ist die Föderationsarmee faktisch in Kroaten und Bosniaken unterteilt. Die Verabschiedung von Gesetzen und deren Umsetzung wird zudem oft mit dem Argument des „Nationalen Interesses“ von den politischen Vertretern der drei Ehtnien verhindert. So scheiterte auch vor kurzer Zeit der Versuch, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung außerhalb der Militärgesetzgebung zu verankern, lediglich an der Dauerrivalität der ethnischen Gruppen im Parlament.

Möglichkeiten durch Chaos
Allerdings gibt es auch positive Aspekte in Bosnien-Herzegowina, die in Deutschland undenkbar wären. So ist zum Beispiel Kriegsdienstverweigerung viel unbürokratischer. Man lässt sich von Prigorvor Savjesti einfach einen Vordruck geben. Unterschrift drunter schreiben. Fertig. In Deutschland braucht man hingegen diverse Behördenpapiere und eine detaillierte Begründung, während es in Bosnien bereits ausreicht, ein Kästchen anzukreuzen. Auch sind Vertreter von Prigorvor Savjesti Mitglied in den, für Kriegsdienstverweigerung zuständigen, staatlichen Komitees. Außerdem haben sie ein Rechtsanspruch auf Akteneinsicht in den Verteidigungsministerien. „Fragt mich nicht, wie wir das geschafft haben.“ sagt Darko lachend. Aber er vermutet, dass dies im vorrauseilenden Gehorsam gegenüber der Europäischen Union geschah, den jene macht ein parlamentarisches Recht auf Kriegsdienstverweigerung zur Bedingung für eine engere Zusammenarbeit.

„Mit der Zeit wurde das Ganze zu einem Engagement für Pazifismus, Gewissensentscheidungen und Menschenrechten“, so Darko über die Perspektiven seiner Arbeit.

*(1)Republika Srbska. Bosnien besteht aus zwei Teilstaaten. Den Teil der serbischen Bevölk-erung (Republika Srbska) und den Teil der Bosniaken, die muslimisch sind, und den Kroaten, die katholisch sind (Bosnia-kisch- Kroatische Föderation).

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. TrackBack URL

Leave a comment