Husuma

7. März 2013

Ein Hausverbot, dass es nie gab? (Pol-Doku SL 6)


Oberlandesgericht Schleswig, 4. Februar 2011. Es wird gegen eine AntimilitaristIn verhandelt, die gegen einen Militärtransport protestiert hatte. Durch die Ankettaktion verzögerte sich der Transport um mehrere Stunden. Gegen die zur Unterstützung angereisten Friedensaktivistinnen fährt das OLG die Mobile Einsatzgruppe Justiz auf. Diese wurde eigentlich zur Abwehr terroristischer Bedrohungen gegründet und schikaniert nun DemonstrantInnen mit willkürlichen erniedrigenden Eingangskontrollen. Doch damit nicht genug: Auch ansonsten stinkt das Vorgehen. Ein den BeamtInnen wegen seiner Dienstaufsichtsbeschwerden persönlich bekannter Publizist fragt nach der Rechtsgrundlage der Maßnahme. „Herr T., Sie haben jetzt Hausverbot!“ lautet die Antwort.

Illegales Hausverbot durch das Wachpersonal.
Ein heißes Eisen. Diese Maßnahme kommt einen Ausschluss von der Verhandlung gleich. Und das darf nur der Richter, der Inhaber der Sitzungspolizei ist. Eine Übertragung dieser Befugnis an z.B. JustizwachtmeisterInnen nur in Ausnahmefällen geschehen und müsste dokumentiert sein. Ist es das nicht, so ist der willkürliche Ausschluss einer Person durch das Wachpersonal ein massiver Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlung. Und das wiederum ist eigentlich ein so genannter „absoluter“ Revisionsgrund. Eigentlich, denn Rechtsstaat bedeutet, dass alle sich ans Recht halten müssen, außer RichterInnen, Staatsanwälte und PolizistInnen, wie wir sehen werden.

Rechtswidriger Ausschluss der Öffentlichkeit
Derweil fällt der mit einer Glaswand vom Publikum getrennten Verteidigung das Fehlen des in Szenekreisen bekannten Publizisten auf und diese hat sofort die richtige Vermutung, das der Betroffenen mit irgendwelchen fiesen Tricks vom Besuch der Verhandlung ferngehalten wurde. Das dies für den Prozess bedeutet ein Hindernis bedeutet, ist der Verteidigung mittlerweile klar, denn die Akte belegt: Der Gerichtspräsident hat zwar das Hausrecht auf Richter Williams übertragen, aber Richter Williams hat keine Ausnahmeregelung gebastelt, um es auch an die BeamtInnen des MEGs zu übertragen (auf welcher Rechtsgrundlage auch?). Die Verteidigung bastelt einen entsprechenden Antrag, um den Rechtsbruch protokollfest zu dokumentieren. Laut Gerichtsprotokoll spielt sich folgendes ab: „Der Beklagtenvertreter: Nach unseren Erkenntnissen sind zwei Personen am Betreten des Saales gehindert worden, da sie sich angeblich nicht kontrollieren lassen wollten. Ich beantrage, das nachzuprüfen, da mir diese Begründung zu dürftig erscheint (…) Es ist ausschließlich Aufgabe des das Hausrecht innehabenden Vorsitzenden, darüber zu entscheiden (…), ob jemand letztlich aus einem Grunde des Saales verwiesen wird. (…) Der Beklagtenvertreter beantragt, den Haupttermin solange auszusetzen, bis der Herr T. (…) entweder im Zuschauerraum Platz genommen hat oder aber durch einen Gerichtsbeschluss ausgeschlossen ist“.

Trick 17 hilft
Richter Williams scheint derweilen auch zu dämmern, was das bedeutet, und ruft Frank Petersen, den Leiter des MEGs in den Saal. Auch Frank Petersen scheint sich an seine Ausbildung düster zu erinnern. Laut Gerichtsprotokoll sagt Petersen: „Es sind insgesamt zwei Personen abgewiesen worden. Eine Person deswegen, weil sie sich nicht durchsuchen lassen wollte, eine weitere Person deswegen, weil sie trotz entsprechender Aufforderung nach Durchsuchung den Eingangsbereich nicht verlassen wollte. Diese Person wollte sich weder in den Zuschauerraum begeben noch das Gebäude wieder verlassen.

Gerichtsbeschluss: Kein Hausverbot
Alles klar? Nix Hausverbot. Der Betroffene, der den Prozess besuchen wollte, hat es sich anders überlegt. Richter Williams ist mit seinem Schergen zufrieden, hütet sich davor, die dünne Behauptung zu überprüfen, und bügelt den Antrag der Verteidigung ab, um mit dem Verknacken weitermachen zu können: „Der eben gestellte Antrag wird zurückgewiesen. Der betreffende Herr T. Ist am Betreten des Sitzungsaales nicht gehindert worden. Es besteht keine Veranlassung, ihn von der Teilnahme auszuschließen. Er ist lediglich weggeschickt worden, weil er sich im Eingangsbereich nicht entsprechend verhalten hat.“

Noch ein Rauswurf ohne Hausverbot
Derweil draußen vor Gericht. Der Betroffene versucht ebenfalls, den Vorgang zu dokumentieren. Sein Mittel der Wahl: Beschwerde bei der Geschäftsstelle des Gerichtes. Das Spannende daran: Selbst mit Hausverbot müsste theoretisch laut StPOder Zugang zur Justiz weiter gewährt sein. Und damit das für Analphabeten , arme Menschen ohne Geld für Papier und Porto und andere Nicht-Juristen möglich ist, regelt die StPO, dass sämtliche Gerichtsgeschäfte auch persönlich auf der Geschäftsstelle erledigt werden können müssten. Erwartungsgemäß wollen die eingesetzten BeamtInnen der Schleswiger Polizei von Gesetzen nichts wissen, und der Betroffene fliegt erneut raus.

Die Polizei: Doch Hausverbot
Macht nix, wofür gibt’s Dienstaufsichtsbeschwerden. Gesagt, geschrieben. Die Antworten sind sehr interessant. Hier die Antwort der Polizei (PHK Ralf Lohmeyer): „Im weiteren Verlauf der Verhandlung bzw. der Einlasskontrollen durch die MEG wurde Herr T. Von Beamten des MEG aus dem Gerichtsgebäude verwiesen. Nach Mitteilung des Leiters der MEG, Herrn Petersen, habe Herr T. Hausverbot erhalten, könne sich aber noch auf dem Grundstück des Gerichtes aufhalten.“

(Nach der Beantwortung der Dienstaufsichtsbeschwerde kommt übrigens ein Revangefoul dazu: PHK Lohmeyer erstattet ganz klassisch für kritisierte PolizistInnen Anzeige wegen Beleidigung gegen den Beschwerdeführer https://husuma.nirgendwo.info/2013/02/18/die-sache-mit-der-dienstaufsichtsbeschwerde/ ).

Dazu passt auch der Vermerkt des Beamten H. Messer, der der Meinung ist, das MEG hätte Hausrecht:

Und der PHKin Kolwes wurde dasselbe erzählt: „Außerdem gesellte sich der ebenfalls mit einem Hausverbot belegte Herr T. dazu.“

OLG: Hausverbot!
Umso überraschender ist Begründung der Ablehnung der Beschwerde gegen das Hausverbot, vollsteckt durch die Polizei, durch das Oberlandesgericht. Anstatt die improvisierte Story des MEG-Chefs Frank Petersen zu stützen, macht sich das OLG es ganz einfach: „Sie (…) störten massiv den weiteren Ablauf (…). Hierauf ist Ihnen für den 4.2.2012 ein Hausverbot erteilt worden und Sei sind des Gerichtes verwiesen worden.“

Und so wird das Hausverbot, das es angeblich laut Gerichtsbeschluss von Richter Oliver William nie gab, Wahrheit. Richter Williams Kalkül ging auf: Die Revision wurde abgelehnt.

Mehr Infos:

Pressemitteilung zum Gerichtsprozess wegen Beamtenbeleidigung am 20.3. in SL:

SL: Prozess wegen BeamtInnenbeleidigung- Wie unsinnige Strafverfolgung aussieht

Weitere Teile der Dokumentation zu Polizeigewalt in Schleswig:

Teil 1: “Gilt die Pressefreiheit auch in Schleswig?”

Gilt die Pressefreiheit auch in Schleswig? (Polizei-Doku Teil 1)

Teil 2: “Die Sache mit der Dienstaufsichtsbeschwerde”

Die Sache mit der Dienstaufsichtsbeschwerde (Polizei-Doku 2)

Teil 3: „Üben PolizistInnen Gewalt aus?“

Üben PolizistInnen Gewalt aus? (Polizei-Doku 3)

Teil 4: Polizeigewalt im gesellschaftlichem Diskurs: https://husuma.nirgendwo.info/2013/02/25/polizei-doku-teil-4-polizeigewalt-als-selbstverstandlichkeit-im-diskurs/

Teil 5: Die Notwendigkeit von Polizeigewalt im demokratischen Regime:

Die Notwendigkeit von Gewalt im demokratischen Regime (Polizei-Doku SL 5)

Ein Kommentar »

  1. […] Einsatzgruppe Justiz: https://husuma.nirgendwo.info/2013/03/13/polizei-doku-8-dienstaufsicht/ und https://husuma.nirgendwo.info/2013/03/07/ein-hausverbot-dass-es-nie-gab-pol-doku-sl-6/ und https://husuma.nirgendwo.info/2013/02/23/uben-polizistinnen-gewalt-aus-polizei-doku-3/ […]

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