Husuma

1. Oktober 2005

Die Qual der Wahl

Alle Jahre wieder kommt die Wahl. Und damit die Diskussion, was denn nun besser sei: Eine SPD, die Krieg führt, die Armen ärmer und die Reichen reicher macht, oder eine CDU, die Krieg führt, die Armen ärmer und die Reichen reicher macht. Ein Artikel für alle, die meinen, das Wahlen nix verändern und denen Politik trotzdem nicht egal ist.

Das kleinere Übel?
Eine mögliche Argumentation besagt: „Wähl das kleinere Übel!“ Also irgendwie SPD, Grüne oder PDS. Was bei der SPD vom kleineren Übel zu halten ist, haben die letzten sieben Jahre gezeigt: Ein ach so migrantenfreundliches Zuwanderungsgesetz, das fast nur repressiv angewandt wird (taz-artikel vom 30.5.05). Ein arroganter Kanzler, der „Abweichlern“ mit Rücktritt droht. Ein Innenminister, der unter dem Vorwand der „Terrorbekämpfung“ jede Menge Bürgerechte abbaut, und selbst von Rechtspopulisten nicht mehr rechts zu überholen ist. Und natürlich die Agenda 2010, wo „Reform“ irgendwie immer mit „Sozialstaat abschaffen“ übersetzt wird.

Für die eigene Politik nicht verantwortlich?
Bei den Grünen ist der Fall schon komplizierter gelagert, denn irgendwie schaffen es die grünen Politprofis, dass alle Welt glaubt, sie hätten mit der eigenen Politik nix zu tun. Und das politische Gedächtnis der meisten Wählis reicht nicht gerade weit zurück. Sonst wäre mehr Leuten aufgefallen, dass die Grünen mal den „sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft“ versprachen, und nun noch mindestens 40 Jahre lang Atommüll (also noch mal so viel wie eh schon da) produziert wird. Von weiteren 40 Jahren Chance auf GAU mal ganz zu schweigen. Wer von den Grünen irgendwie „linke“ Sozialpolitik erwartet, wird ebenfalls enttäuscht werden: Erstens waren die Grünen auch für die Agenda 2010, und auch im neuen Wahlprogramm bekennen sich die Grünen zu „der Notwendigkeit von marktwirtschaftlichen Reformen“. Doch der Oberhammer war 1999. Joseph Fischer, Deutscher Außenminister, rechtfertigt und legitimiert den ersten „heißen“ Kampfeinsatz deutscher Kampfeinheiten nach dem zweiten Weltkrieg *(1), obwohl im Grünen- Parteiprogramm noch Pazifismus drinstand.

PDS: Protest und regieren?
Die PDS ist meine persönliche Lieblings-Spasspartei. Nennen sich Partei des Demokratischen Sozialismus, werden dafür vom Verfassungsschutz beobachtet und sind so revolutionär wie ein Glas Milch im Kühlschrank. Erst agitiert die PDS gegen die EU-Verfassung, damit die Berliner PDS-Vertretis im Bundesrat dann zustimmen können. Erst gebärdet sich die PDS als die Megabürgerechtspartei, und dann setzt die PDS in Berlin die Otto-Kataloge (neue Sicherheitsgesetze nach dem 11.9.) bereitwillig um. Den Oberhammer war aber Hartz IV: Bundesweit rennt die PDS auf allen Montagsdemos vorneweg und ruft Angestellte und Verwaltete der Bundesagentur für Arbeit zur Sabotage auf, und die Berliner
Sozialdezernentin (PDS) bringt sich konstruktiv mit effizienz-steigernden Vorschlägen ein. Davon, das sich der Wahlkampfslogan: „Arbeit muss das Land regieren“ explizit positiv auf Herrschaft bezieht, einmal ganz zu schweigen.

Was wäre…
Nun eine von diesen spekulativen „Was wäre wenn Überlegungen“:1999, es herrscht eine konservative Regierung. Und die erklärt nun, dass sie gedenkt, sich an einem NATO-Angriffskrieg ohne UN-Legitimation zu beteiligen, noch dazu auf ein Land, das vor 50 und 75 Jahren von der Deutschen Armee bereits verwüstet wurde. Ich denke, man kann sich vorstellen, wie Gerd und Joseph entrüstet aufgesprungen wären, um ihren ganzen Partei-Apparat in Stellung zu bringen. Wie die SPD-nahe Presse dieses Geschenk genutzt hätte, um der CDU nachzuweißen, wie revanchistisch, faschistisch und großmachtssüchtig sie sei. Doch wir wissen ja: Es war anders. Rot-Grün war an der Macht. Und wie sollen CDU und FDP auf einmal erklären, das sie Krieg, Revanchismus und Wirtschaftsimperialismus scheiße finden? Mit einer konservativen Regierung hätten deutsche Bomber vielleicht keine Menschen in Serbien zerfetzt, weil der Druck der Straße groß genug gewesen wäre. Vielleicht. Veilleicht auch nicht. Auf jeden Fall wäre mehr Widerstand auf den Straßen gut gewesen, um das Thema „Neuer Deutscher Imperialismus“ bewusster zu machen.

„Links wählen?
Auch die WASG wird nix ändern. Widerständige Politik kann nicht im Parlament stattfinden, da Macht korrumpiert. Beispiel: Joseph Fischer und Daniel Cohn- Bendett waren früher Straßenkämpfer für die Anarchie, heute reden sie im Parlament für ein neues erstmal nur wirtschaftlich starkes D- Land. Bei den Grünen fanden wenigstens Diskussionen statt, und viele basisdemokratische Verbände stritten um den richtigen Weg zum Glück, um langsam ihre soziale (außerparlamentarische!) Gestaltungsmacht gegen Parlamentssessel und Dienstwagen einzutauschen. Die WASG hingegen hat eine Handvoll Vordenker, die schnurrstracks ins Parlament rennen, um sich korrumpieren zu lassen. Das ein ehemaliger Bundesfinanzminister jetzt den Linkspopulistenführer macht, beschleunigt diesen Prozess nur. Und das bei einer Partei, die die Welt mit Gesetzen wieder gut machen will, nicht von Herrschaftsfreiheit gesprochen werden kann, liegt so auf der Hand, dass viele diesen Tatbestand schon wieder übersehen.

Statt Zynismus…
Zynisch gesprochen ergibt sich also das Bild, das es in D- Land friedlicher, sozialer und ökologischer zugehen könnte, wenn die Konservative regiert, da die Konservative mehr Widerstand erzeugt, wenn sie Scheiße baut. Der SPD kommt hingegen zugute, das sie ihrem Klientel sagen kann: „Seit ma ganz zufrieden mit Herrschaft, Krieg und Armut“, denn mit den Konservativen wird’s noch schlimmer“. Stimmt. Wenn sich niemand wehrt.

…selber Alternativen schaffen!
Und da CDU wählen nicht die Lösung sein kann, muss etwas Neues her. Zur Abwechslung vielleicht mal selber denken und selber handeln. Wozu brauche ich Politiker, um eine Fahrradspur auf der Hauptstraße zu malen? Wozu brauche ich Politiker, um einen neuen Grillplatz auf der Baulücke nebenan zu errichten? Wozu brauche ich Politiker, um die herrschaftskonforme Schule zuzumauern? Genau. Gar nicht. Selbstorganisation, Selbstverwaltung und Solidarität helfen besser als jede Wahl. Und herrschaftsfreier sind sie potentiell auch.

(1) Tornados der Luftwaffe bombardierten (sogar ohne UN- Mandat) unter NATO- Kommando Jugoslawien.

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