Husuma

1. Oktober 2010

Vielfalt der Einfalt

Herrschaft findet sich nicht nur in den gemässigten Breiten. Herrschaft findet weltweit statt. Oft tritt sie sogar viel offener, unverschleierter und direkter auf, als in unserer von „Demokratie“-und „Good-Gouvernance“ verwöhnten Gesellschaft. Trotzdem existieren zwischen diesen Systemen Verbindungen und Abhängigkeiten, ohne welche die weltweit existierenden Herrschaftssysteme nur schwer längerfristig bestehen könnten.

Weltweite Vielfalt?
Weltweit betrachtet sticht vor allem die Vielfalt der Herrschaftssysteme ins Auge. Es scheint nur schwer vorstellbar, dass zwischen den brutalen Regimes der Warlords u.a im Kongo, den kommunistischen Machthabern in China und den parlametarischen Demokratien in der EU Zusammenhänge und wechselseitige Abhängigkeiten bestehen sollen. Doch genau das ist der Fall.

Schattenseite der Globalisierung

Früher endeten Kriege oft mit der Erschöpfung der für die Kriegsökonomie notwendigen Ressourcen im Kriegsgebiet. Oft wurde so lange geplündert und geraubt, bis diese Perspektive selbst für die Landsknechte nicht mehr attraktiv erschien. Der erste Weltkrieg endete mit dem Zusammenbruch der Volkswirtschaften der Zweibund-Mächte. Der heutige Krieg im Kongo geht trotz völliger Verwüstung weiter.

Gegenseitige Abhängigkeiten
Offensicht kommt es in diesem Krieg nur wenig auf die vorhandene Infrastruktur an. Die für die Kriegsökonomie notwendigen Güter werden von außerhalb eingeführt. Dies ist möglich, weil weit weg vom peripheren Kriegsgebiet prospherierende Wirtschaftszentren für stehten Zustrom von Waffen, Munition, Geld, Treibstoff und Nahrung sorgen. Doch dies geschieht nicht ohne Gegenleistung. Durch die Finanzierung des Krieges wird der Zugriff der kapitalistischen Zentren auf die Rohstoffe der Periepherie zu Schleuderpreisen gewährleistet. Im Fall des Kongos handelt es sich um Coltan und Niob, zwei seltene Erze zur Herstellung des Metalls Tantal, das z.B. für hocheffektive Akkus, Kondensatoren und Speicherchips verwendet wird.

Direkte Interventionen der Zentren in der Periepherie

Wenn der ewige Krieg der Warlords nicht mehr in der Lage scheint, den effektiven Zugriff auf Rohstoffe zu gewährleisten, greifen teilweise die Mächte der Zentren auch direkt in das Kriegsgeschehen ein. Im Kongo geschah dies zuletzt 2006 u.a. mit Beteiligung deutscher Kampfverbände, um angeblich Wahlen zu sichern. Diese Beteiligungen an Kriegen verfolgen das Ziel, einen handlungsfähigen Staatsaparat zu konsolidieren, der dann dank seines vorher erkämpften Gewaltmonopols den „sicheren“ Zugriff auf Rohstoffmärkte leisten kann. Dies gehört u.a. zu den expliziten Aufgaben der Bundeswehr, der EU-Battlegroups und der NATO-Response Force.

Einziger Erfolg: Mehr Abschiebungen

Eine innenpolitische Komponente der deutschen Beteiligung am Krieg wird selten beachtet. Es gelang den Behörden, Flüchtlinge in den Kongo mit dem Hinweis auf angebliche Sicherheit durch Wahlen abzuschieben. Doch der Kongo-Einsatz scheiterte fatal, da der bisherige Präsident Joseph Kabila das Wahlergebnis nicht akzeptierte, und Panzer den Amtssitz seines Konkurrenten Bemba angriffen. Dieser überlebte jedoch, und mit ihm die Botschafter der Nachbarstaaten, die sich ebenfalls im Gebäude befanden.

Beim letzten Versuch erfolgreicher
Die letzte Intervention im Kongo war aus westlicher Sicht effektiver. 1961 töteten der belgische Geheimdienst und der CIA den gewählten Präsidenten Lumumba und ersetzten die-sen mit Hilfe von Söldnern durch den ihnen genehmen Stabschef Mobutu. Dieser regierte 30 Jahre lang als Diktator bis zu seinem Sturz 1997 durch die Rebellen des Laurent Kabilas. Mobutu liess sich 98% der Erlöse aus den Rohstoffexporten auf Privatkonten überweisen. Selbst wenn dieser dabei steinreich wurde, lässt sich errahnen, für was für einen geringen Preis z.B. das Coltan gen Westen wanderte.

Das blutige Geheimnis

Sowohl das heutige Bürgerkriegsregime als auch die damalige Diktatur sind nur aufrecht zu erhalten durch die Unterstützung mit Ressourcen aus den „Good-Gouvernance“-Demokratien des Westens. Doch auch diese brauchen die Diktatoren und Warlords, um gegenüber ihrer Bevölkerung die nette, angeblich humane Fassade aufrecht zu erhalten.

Die Folgen auf Andere abwälzen

Die hochtechnisierten Ausbeutungsmaschinerien in den kapitalistischen Zentren brauchen für ihr Fortbestehen gut ausgebildete Fachkräfte, die dadurch aber auch tendenziell in der Lage sind, den ganzen Schwindel zu durchschauen. Damit diese Menschen sich trotzdem an den ihnen auferlegten Verbrechen an der Menschheit beteiligen, muss neben institutio-nalisierten Wegen der Verantwortungsabgabe auch ein gewisser materieller Anreiz geboten werden, damit diese Menschen sich angesichts der Millionenprofite der einen und der weltweiten Ungerechtigkeit auf der anderen Seite an diesem grausamen Spiel beteiligen. Sie werden dies nur tun, wenn die weltweiten Herrschaftsmechanis-men auch die Folgen ihres Handelns auf andere abwelzen. Dies geschieht meistens relativ bequem und geräuschlos. Rentabler Atomstrom wäre nicht denkbar, wenn z.B. die deutsch-niederländische Urananreicherungsfirma URENCO nicht ihren radioaktiven Atommüll einfach unter freiem Himmel in Russland verrosten lassen könnte. Handys und Computer, deren Chips und Akkus die Coltan-Legierung Tantal enthalten, wären für breite Massen von Menschen ohne das Morden, Rauben und Vergewaltigen im Kongo nicht zu finanzieren.

Verschiebungen in internationalen Herrschaftsverhältnissen

Das Erstarken von Staaten wie z.B. China und die damit einhergehenden Verschiebungen in internationalen Kräfteverhältnisse sind kein Gegenbeispiel, dass die oben genannten Mechanismen nicht greifen würden. Im Gegenteil: Es zeigt, dass diese Mechanismen, die kapitalistischen Herrschaftssystemen innewohnen, nicht etwa auf eine wie auch immer geartete Weltverschwörung zurück gehen, sondern unter bestimmten Bedingungen auftreten. Innerhalb dieser Mechanismen können sich die internationalen Kräfteverhältnisse durch-aus verschieben , ohne das Ganze zu bedrohen. Gerade in China sind mehrere Prozesse gleichzeitig feststellbar: Auf der einen Seite stabilisiert die in China stattfindene ausbeu-terische Billigproduktion durch Bereitstellung günstiger Konsumgüter die westlichen Ge-sellschaften. Auf der anderen Seite beteiligen sich chinesische Firmen längst an Prozessen wie im Kongo, um die wachsenden Ansprüche der Bevölkerung und Eliten in China selbst befriedigen zu können.

„Good-Gouvernance“ durch Diktatur abgesichert

In dieser Weise sichert der Krieg im Kongo das brutale Regime der Warlords, aber auch das Weiterbestehen der „Good Gouvernance“- Demokratien im Westen, und damit wieder den Fortbestand der Kriegsökonomien. In beiden Gegenden der Welt würde es ohne die beschriebenen Mechanismen sehr viel schwerer sein, der Bevölkerung zu vermitteln, warum sie angesichts der Ungerechtigkeiten in ihrer direkten Umgebung und weltweit diese weiterhin akzeptieren sollten.

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