Husuma

6. Februar 2010

Die merkwürdige Wahlnacht von Husum


Noch am Wahlabend der Landtagswahl in Schleswig-Holstein berichten Linkspartei-Anhänger über Auffälligkeiten bei der Stimmauszählung im Wahlbezirk Husum 3. Die Behörden wiegeln ab. Alles in Ordnung. Die Linkspartei erzwingt daraufhin eine Neuauszählung. Ergebnis: Die FDP verliert ein Mandat, die Linke gewinnt eines. Kritik? Fehlanzeige.

Schon nach der Landtagswahl im September kam es zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten. Die Oppositionsparteien zweifelten an der Rechtsmäßigkeit der der Regierungsbildung. Und ausgerechnet in der Kreisstadt Nordfriesland, in der sich Ministerpräsident Carstensen zu Hause fühlt, zeigt sich im Wahlkreis 3 eine auffällige Unregelmäßigkeit zwischen den Erst-und Zweitstimmen. Die Anregung der Linkspartei, noch einmal zu zählen, wird von den Verantwortlichen abgebügelt. Auf Weisung von „oben“ muss die Urne dann doch noch geöffnet werden. Das Ergebnis: Ein Mandat mehr für die Linkspartei. Doch trotz öffentlichem Interess wird es wohl keine Aufklärung der Vorgänge in der Wahlnacht geben.

Laut den Husumer Nachrichten vom 27.1. ist Karl Friedrich Bumb „fassungslos.“ Karl Friedrich Bumb ist der Wahlleiter des Wahlkreises 3 gewesen, in dem es bei der Auszählung der letzten Landtagswahl zu einer Unregelmäßigkeit kam. Einer Unregelmäßigkeit, die für die FDP ein Sitz mehr, und für die Linkspartei einen Sitz weniger bedeutete. Auch Günther Zumach gibt sich defensiv: „“Wir denken natürlich darüber nach, was passiert sein könnte, um so einen Fehler in Zukunft auszuschließen“. Aber es lasse sich eben nicht mehr in allen Einzelheiten rekonstruieren, was in der langen Wahlnacht im Wahllokal in der Klaus-Groth-Schule abgelaufen sei. Der Artikel, aus dem die Zitate stammen, erschien am 27.1.2010, einen Tag, nachdem die Nachzählung in Husum eine Diskrepanz von 32 Stimmenergeben hatte, und das Wahlergebnis zugunsten der Linkspartei korrigiert wurde. Und mit dem für den s:hz typischen vorauseilendem Gehorsam gegenüber Autoritäten wird verkündet: „Nur eines steht für ihn (K.F. Bumb) fest: Dass bei der Falschauszählung möglicherweise böser Wille im Spiel gewesen sei, schließt er kategorisch aus: „Ich bin schon seit Jahren Wahlvorsteher, und die meisten der Helfer, die dort mitarbeiten, kenne ich ebenfalls bereits seit Jahren. Mit Absicht hat das jedenfalls keiner getan“, ist sich Bumb sicher.“

Merkwürdiger Meinungswechsel
Noch am 18.12. hatte Bumb das ganz anders gesehen. Im s:hz hatte er das Wahlergebnis mit der Diskrepanz zwischen Erst- und Zweitstimmen als „unauffällig“ bezeichnet. Und die zuständige Kontrollbehörde, das städtischen Ordnungsamt, bestätigte dies. Kein Wunder: Bumb ist der stellvertretende Leiter dieser Behörde. „Bumb ist seit vielen Jahren Wahlvorsteher, und kennt auch die meisten seiner Helfer seit Jahren“, schreibt der s:hz. Ob er sie solange kennt, wie er auch mit Herrn Zumach (Leiter des Ordnungsamtes) und den anderen dortigen Angestellten bekannt ist? Und würde deren Verhalten nicht auch unisono erst einmal als „unauffällig“ bezeichnet werden, selbst wenn sie Wahlfälschung begehen würden?

Eliten im demokratischem Regime

Was sich hier zeigt, ist der, in einer von Herrschaftsstrukturen durchzogenen Gesellschaft, übliche Filz zwischen den gesellschaftlichen Eliten. Scheinbar völlig geräuschlos decken sich die, die in Verdacht stehen, eine Wahl manipuliert zu haben, und die, die diese kontrollieren sollen. Öffentlich wird dies nur, weil die Linkspartei mittlerweile auch in SH zu stark ist, um ignoriert zu werden. Nur war das bisher bei den Provinzeliten in Husum noch nicht angekommen. Und so stellt sich die Frage, wie viele Wahlen in Husum und im ganzen Land wohl noch verschoben wurden? Zumal die Vorwürfe nicht neu sind: Bereits bei der Kommunalwahl 2008 behauptete die NPD, dass ihr Stimmen fehlen würden. Verantwortlich damals: Harry Schröder vom Kreis NF. Verantwortlich heute: Harry Schröder (zitiert nach s:hz vom 18.12.09): „„Das Ergebnis ist ungewöhnlich, das gebe ich zu“, räumt auch Schröder ein. Doch nach der Stellungnahme des Ordnungsamtes der Stadt Husum, wonach es keine Auffälligkeiten gegeben habe und auch nachgezählt worden sei, „gibt es für uns keinen Grund, daran zu zweifeln“. Nun- die Zweifler hatten Recht. Schade, wenn letztlich auch die NPD doch mehr Stimmen bekommen hätte. Außer dem Filz aus Parteien und Behörden zeigt sich: Das Nazi-Problem ist nicht gelöst, wenn die Nazis nur nicht in den Parlamenten sitzen.

Nirgends eine Grundsatzkritik?
Doch das böse Wort von der Wahlfälschung nimmt niemand in den Mund. Selbst die Linkspartei in SH hält sich vornehm mit Kritik zurück: „DIE LINKE ist erleichtert, dass die Kontrollstrukturen nach Bekanntwerden der Unstimmigkeiten im Wahlbezirk Husum 3 funktioniert haben.“ Eine Kritik am Filz zwischen den lokalen gesellschaftlichen Eliten, die im Verdacht stehen, Wahlstimmen für eine ihnen missliebige Partei unterschlagen zu haben, findet bei der Linkspartei nicht statt. Wieso auch? Mit einem Abgeordneten mehr ist der Anteil am Kuchen der Macht ja gerade größer geworden. Wozu also noch prinzipielle Herrschaftskritik entwickeln?

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