Husuma

17. August 2007

Husum: Kein Zutritt für Randgruppen?


Ein beispielloser sozialrassistischer Diskurs mündete in Husum in den Versuch einer äutoritären Lösung eines sozialen Problems, der angeblichen Unverträglichkeit von Punks und Tourismus. Dies dokumentiert wie Diskurse gemacht werden und die Hilflosigkeit der Politik in der Postdemokratie.

Bürgermeister Maas hat eine klare Meinung: „Die Polizei soll sofort eingreifen, wenn es zu Störungen im öffendlichen Bereich der Stadt kommt!“ Auch die Werbegemeinschaft Innenstadt empfindet Menschen, die anders aussehen als: „Negativreklame für unsere Stadt“. Horst Bauer von der SPD möchte die Sache sogar langfristig angehen: „Wir sind schlecht beraten, wenn wir jetzt aus der Hüfte schiessen.“ Nur ein Strohfeuer nutze nichts. Und Polizeichef Emil Gudau möchte „im Zuge eines Gesamtkonzepts zu einem gedeihlichen Miteinander kommen.“

Autoritäre „Lösungen“ für soziale Probleme
In dieser Einheitsfront für die Änderung des städtischen Sondernutzungsrecht geht die Tatsache völlig unter, dass hier versucht wird, soziale Probleme mit sogenannten „einfachem körperlichen Zwang(Polizeieinsätze) zu lösen. Doch diese Art der Bekämpfung (besser: des Bekriegens) sozialer Fragen ist lediglich eine räumliche Verschiebung des Problems. Denn die jetzige Situation ist bei weitem nicht neu: Regelmässig gibt es in Husum Skandale oder Skandalchen, nach denen die VerantwortungsträgerInnen glauben, den BewohnerInnen der Stadt ihre Handlungsfähigkeit beweisen zu müssen. Mit kurzsichtigen autoritären Politkonzepten wird jedes Mal die Tatsache, dass in Husum soziale Randgruppen existieren, aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit gedrängt.

Leider viele Beispiele in Husum
Dafür gibt es mittlerweile leider viele Beispiele aus Husum. Das Problem der sich im dritten Stock der damaligen Stadtpassage aufhaltenden Jugendlichen wurde mit Videokameras und privaten Sicherheitsdienst bekämpft, bevor es durch die Totalprivatisierung zum C.J.-Schmidt-Trendhaus vermeintlich gelöst wurde. Kurze Zeit später stellt des Haus der Jugend (HdJ) die offene Jugendarbeit ein, weil es u.a. zu körperlichen Übergriffen auf BetreuerInnen gekommen war. Und anstatt sich einzugestehen, dass es bereits im Vorfeld zu Versäumnissen gekommen war, wurden durch die Umstrukturierung des Angebots Jugendliche aus sozialschwachen Strukturen de facto ausgegrenzt. Statt dessen konzentrierte sich die städtische und kirchliche Jugendarbeit mit PfadfinderInnen und dem sog. V.I.P.-Programm eher auf Kinder und Jugendliche aus eher bildungsnahen und wohlhabenden Bevölkerungsschichten.

Gentryfizierung auch in der Jugendarbeit
Diese Verschiebung der Jugendarbeit und die Konzentration auf unproblematischere Zielgruppen zeigt, dass die Gentryfizierung Husums auch bereits die Jugendarbeit erreicht hat. An diesem Prozess der sich abzeichnenden sozialen Ausgrenzung von Randgruppen aus dem öffentlichem Leben leistet die Kirchengemeinde St. Marien auch ihren Beitrag, da sie weite Teile ihres innerstädtischen Grundbesitz an den Hamburger Millionär und Besitzer des Hotel Altes Gymnasium verkaufte. Doch die Stadt Husum schiesst auch hier den Vogel ab: Bei der Räuumung der Sozialwohnungen in der Richard-von-Hagen-Straße im Frühjahr 2007 wurden die BewohnerInnen in der Anwesenheit von über 50 komplett ausgerüsteten Polizisten dazu gezwungen, ihre Besitztümer zusammen zu packen. Besonders symbolisch ist der Verbleib zweier Punks, die in jenem Haus wohnten. Sie wurden an den Stadtrand östlich der B5 in einen Wohncontainer am Rande des Messehallenparkplatz verbannt. Anlässlich der HusumWind dämmerte den Verantwortlichen jedoch, das dies keine clevere Entscheidung war. Um die sozialrassitische Politik der Stadt vor der Öffendlichkeit zu verstecken, wurden die Betroffenen wieder umgesiedelt. Diesmal an den Stadtrand im Norden, nahe dem Truppenübungsplatz und der Kaserne.

Sozialrassistischer Druck auf den Speicher
Auch in der Hafenstrasse macht sich der sozialrassitische Druck auf alles, was im gesellschaftlichen Diskurs als irgendwie „anders“ konstruiert wird, bemerkbar. Die dort ansässigen Gastronomen haben sich mit der Interessensgemeinschaft Hafen (IGH) ein mächtiges Werkzeug zur Durchsetzung ihrer Profitinteressen geschaffen. Die IgH lobbyiert seit langem gegen das soziokulturelle Zentrum Speicher. Die Dinge, die die IgH am Speicher stört, stammen aus dem neoliberalen Spießer-Bilderbuch: Die Zuschüsse der Stadt, die unkommerziellen Veranstaltungen, der angebliche Lärm und natürlich die Punks. Offensichtlich interessiert sich die IgH nur für zahlungskräftiges Publikum.

Erfolgreiche Kriminaliserung
Wie erfolgreich diese Lobbypolitik ist, zeigt sich daran, das eines ihrer Mitglieder im Stadtrat sitzt, und die Husumer Nachrichten Pressemitteilungen der IgH oft ohne Gegenrecherche abdrucken. Doch damit nicht genug: Der politische Einfluss dieser ordnungspolitischen Wahnvorstellungen geht noch weiter. Als es im Sommer 2006 zu einer Reihe von noch illegalen Aktionen gegen Bundeswehrpropaganda in Husum kam, äußerte der Polizist Ferdinand Frenzer in einem Gespräch mit Speicher-Aktiven völlig offen, das er ohne jegliche Beweise der Meinung sei, das Aktive der Jugendgruppe für die Herausgabe eines gefälschten Behördenschreibens verantwortlich seien. Dass auch die NPD in ähnlicher Weiße gegen den Speicher hetzt, spricht Bände.

Und selber?
Doch auch Linksradikale tun sich schwer mit dem gesellschaftlichen Wandel zur Postdemokratie. Dass der Rückzug des Staates aus peripheren sozialen und räumlichen Gebieten in Deutschland von der Linken statt als Chance eher als Bedrohung wahrgenommen wird, hängt vermutlich auch mit deren Staatsfixiertheit und der eigenen Schwäche zusammen. Anstatt die sich ergebenen Chancen zur Unterhöhlung des Vertrauens der Menschen in den angeblichen Wohlfahrtsstaat strategisch zur Erhöhung des Selbstorganisationsniveau zu nutzen, wird dieses Feld fast ausschliesslich den Neonazis überlassen.

Anbetung des Staates
Gleichzeitig wird auch in linksradikalen Kreisen rumgeheult und darum gebettelt, dass der Staat seine angebliche Rolle als steuernde, ausgleichende Kraft wieder wahrnähme mehr dazu. Dass gerade der Hochpunkt des fordistischen Wohlfahrtstaates in den 1970`zigern von militärischen Auseinandersetzungen im Inneren und Äusseren und der Einführung der Notstandsgesetze geprägt war, gerät mit dieser sozialromantischen Sichtweisse aus dem Blickfeld. Dass der angeblich gute Staat auch ansonsten ins Reich der Propaganda-Legenden gehört, ist leider immer noch nicht an die Stammtische aller Szenekneipen vorgedrungen.

Selbstorganisation erhöhen
Eine sinnvolle Strategie zur Überwindung der jetzigen Verhältnisse muss den Versuch beinhalten, jedem Menschen umfassende Selbstorganisationsmöglichkeiten zurück zugeben. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte sein, zu versuchen, den Alltag und das politische Leben gemeinsam marktfern zu organisieren. Damit könnten die Reproduktionszwange, die auf jedE wirken, reduziert werden, und daraus mehr Handlungsmöglichkeiten für die Einzelne erwachsen. Schritte auf dem Weg dahin könnten Containercooperativen, Nutzungsgemeinschaften, Tauschringe und vieles mehr sein.

Emanzipatorische Perspektiven statt Armutsverwaltung

Allerdings müssen diese, um langfristig emanzipatorisch wirken zu können, eine radikale Gesellschaftsperspektive beinhalten. Denn Selbstorganisation steht der Ausübung von Herrschaft zumindest tendenziell diametral gegenüber. Denn ab dem Moment, wo sich diese Prozesse marktwirtschaftlich verwerten lasen, oder für breite Bevölkerungsschichten attraktiv werden, wird mit Repression zu rechnen sein. Ob diese von Aussen oder von Innen kommt, ist zweitrangig, doch beides ist denkbar. Im ersten Fall würde das Projekt zerschlagen, im zweiten von den Eliten im Projekt reprivatisiert. Diesen Bedrohungen lässt sich nur mit einer radikalen Kapitalismus-und Hierarchiekritik begegnen.

Freedom is another word for nothing left to loose

Aber auch ohne dieses Konfliktlevel zu erreichen, können Selbstorga-Projekte antiemanzipatorisch wirken. Ein Beispiel dafür ist der Speicher, wo die private Existenz der Geschäftsführerin an das Funktionieren des Projekts gebunden ist. Und diese wird alles versuchen, um den Status quo aufrecht zu erhalten. Für den Fall, dass sich kritische Menschen nicht integrieren lassen, wird im Notfall sogar zu Repression gegriffen. So gibt Constance Koch z.B. Informationen über AktivistInnen an den Staatsschutz weiter (in einem Fall hatte wahrscheinlich sogar der NPD-Mann Kevin Stein Zugriff auf die Akten) und drohte z.B. AktivistInnen des Solifonds mit Klagen, für den Fall, dass diese weiter Fotos des Speichers in ihrer Medienarbeit verwenden würden und nicht umgehend einen Artikel, in dem der Speicher erwähnt wird, von der HusumA-Homepage entfernt werde. Nur öffentlicher Druck konnte sie von ihren Plänen abbringen.

Sozialprojekte als verlängerter Arm von Herrschaft
Eine andere fatale Entwicklung nimmt der Tauschring in Husum. Da die radikale Analyse völlig fehlt, ist in den Räumen des angeblichen Sozialcenter der Stadt angesiedelt. Es droht hier die Gefahr, dass der Tauschring nicht die Selbstorganisationsmöglichkeiten von Menschen erhöht, sondern im Gegenteil der Stadt als verlängerter Arm dient, um durch vorhandenes Selbstorganisations-Potiental noch mehr Sozialleistungen an Bedürftige einsparen zu können.

Solange Geschichten wie diese in linken Kreisen alltäglich sind, wird sich leider nur wenigt in dieser Welt ändern.


Die Innenstadt-Verordnung im Original:

Sondernutzung husum

Nur die Änderungen (für Lesefaule):
änderungen Sondernutzung Husum

Kommentare zum letzten Artikel von www.shz.de

Es liegt nahe das (absichtlich?) ein falsches Bild verwendet wurde. Die Angaben im Text treffen in keinster Weise auf die auf dem Bild abgelichteten Personen zu. Es sitzt auch keiner von ihnen im Knast. Der Artikel bezieht sich auf eine andere Personengruppe. Die auf dem Bild zu sehenden Personen sind zutiefst gekränkt ,das sie mit den Vorfällen in Verbindung gebracht werden und ihr friedliches Zusammensein kriminalisiert wird. Weiterhin kann sich auch ein Teil der Überschrift auf die Gruppe beziehen:“Nach den Krawallmachern aus dem letzten Sommer…“. Gemeint ist ein Vorfall welcher durch alle Zeitungen ging fÜr den diverse Gruppen (unter anderem Punker und Skater) verantwortlich sein sollen. Hier haben die Zeitungen auch noch keine Korrektur vollzogen. Einige der Leute auf dem Bild sind mittlerweile so frustriert von der Situation, das sie gedenken rechtliche Schritte einzugehen. Das mindeste was die Zeitung tun kann ist eine Richtigstellung der Situation zu machen.

Die Reaktion eines gewissen „Mosh“:

Weder Lärm noch Hilferufe !!! Verlangen frei sein zu können !!!

So… ich gehÖre zu dieser „Krawallgruppe“ und bin auch auf dem Bild mit meinem Beinen abgelichtet (Strategie von den Journis um Anzeigen vorzubeugen ?), verbitte mir aber mich als stinkenden Arbeitslosen zu bezeichnen! Ich bin momentan im 13. Jahrgang und dabei mein Abitur zu machen. Erst einmal kann mensch hier nicht von einer Kerngruppe reden, so etwas existiert nicht, wir organisieren uns nicht. Wir sind bunt, treffen uns zufällig und hören Musik. Wir rücken durch unser anders sein in den Fokus. Das auf dem Marktplatz andere Gruppen abhängen, ist völlig außer acht gelassen worden und ist vom betreffenen Journi grob fahrlässig. Diese anderen Gruppen die ein durchschnittliches jüngeres Alter haben und sich eher der ungebildeten und Hip-Hop kulturellen soziologischem Umfeld zuordnen lassen machen umso mehr kaputt sehen aber konformer aus. Einige trinken auch (manchmal zu viel) was ich persönlich nicht gut heiße. Aber unsere Intentionen sind niemals Leute zu verängstigen oder gar zu verschrecken. Oft kommt es auch vor das sich Passanten zu uns setzen und sich mit uns unterhalten oder auch nen Bierchen trinken. Wenn der Rest in einem Uniformitätsdenken gefangen ist, in dessen Schema wir nicht passen, ist das nicht unsere Schuld. Ich tanze dann wann ich will und wo ich will !!! Falls mal etwas zu Bruch geht, räumen wir sofort auf und wir hinterlassen den Platz ordentlich. Die Pfandflaschen lassen wir zusammenstellt stehen, damit sie sich arme Leute schnappen können, um Geld zu verdienen. Politisch lassen sich die Leute als links einordnen, wobei das sehr grob ist. Es handelt sich hier nicht um eine homogene Menge. Viele habe Lust produktive Sachen zu machen, aber Husum wird ja immer mehr Touristadt und alles wird privatisiert und mit Regeln belegt. Es wird uns zu erst die Grundlage produktiv zu sein entzogen und als nächstes will mensch uns unseren Treffpunkt wegnehmen und uns als asozial und stinkend bezeichnen!!! In unseren Kreisen ist deshalb das verlangen nach einer selbst verwalteten Projektwerkstatt immer größer geworden. In welchem wir uns treffen können um zu basteln, Schülerzeitungen zu schreiben oder zu malen und Musik zu machen. Das ganze soll ohne Hierarchie und Sexismus ablaufen und zur persönlichen Entfaltung jedes Individuums beitragen.

Das Projekt scheitert bis jetzt aber an den Finanzen, da die meisten von uns noch zur Schule gehen oder sich noch in Ausbildung befinden.
Eine Projektwerkstatt ist keine Garantie das es auf dem Marktplatz stiller und langweiliger wird, aber ein Weg dahin, das die Leute sich produktiv beschäftigen. Lösungsvorschl�ge sind herzlich willkommen !

Eine weitere Reaktion von „Hendrix“:

So ein Schwachsinn

Ich konnte es garnicht glauben, als ich den Beitrag hier gelesen hab, wie man so eine Nebensächlichkeit derartig aufblasen kann. Auch ich geh�re zu der genannten „Krawallgruppe“ und fragte mich wirklich, wie diese Aussagen der Personen zustande kommen. Dass ein Satz wie „Überkam mich eine große Welle von Traurigkeit bei dem Anblick dieser Jugendlichen“ durchaus mal aus den Mündern von „Unwissenden“ kommen kann, kann ich sogar noch halbwegs nachvollziehen, aber diese Traurigkeit teilen die Personen ganz bestimmt nicht mit uns. Wir würden uns so etwas ganz bestimmt nicht antun, wenn es uns keinen Spaß macht. Was spricht denn dagegen, sich an einem sonnigen Nachmittag, nach der Schule zusammen zu setzen um den Tag zu genießen. Ich finde diesen gesamten Artikel nur noch lächerlich, sogar meine Großeltern haben mich auf diesen Artikel angesprochen und fragten mich:,,Wie kann so ein Artikel zustande kommen? Ihr macht doch garnichts negativ auffallendes oder gar verbotenes?!“. Beim Lesen des Artikels hat sich für mich eine weitere Frage aufgeworfen, undzwar: wer soll denn bitte „wohnungslos“ sein. Sowas wüsste man doch, wenn man Teil dieser Gruppe ist. Ich jedenfalls habe mein Zuhause und besuche derzeit die elfte Jahrgangsstufe eines Gymnasiums. Also werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht obdachlos auf der Straße enden. Und wenn sogar Personen wegen den „Störenfrieden“ am Marktplatz ihr Urlaubsziel wechseln wollen, tun sie mir nurnoch Leid, denn sie haben kein Ahnung vom Leben. Ich fürchte diese Personen kennen nur Husum und waren niemals in einer anderen wirklich großen Stadt, wie Hamburg, Berlin etc. Dort ist Gruppenbildung und gemeinsames „rumsitzen“ an bestimmten Orten nämlich an der Tagesordnung, ohne, dass sich auch nur irgendjemand nach diesen Leuten umdreht. Wenn den Personen wirklcih so viel an Husum als Urlaubsziel liegt, sollte es sicher nicht daran scheitern, sich die Mauer vor der Marienkirche nicht mehr angucken zu können, weil dort Jugendliche zusammensitzen. Husum hat auch noch andere schöne Seiten und falls es den Personen dann nicht passt, tut es mir sehr Leid für sie aber das ist dann nicht mehr unser Problem.

Ich würde sagen, dass dieser Artikel, wie so oft, das behandelte Thema nur so darstellt, wie es von den Leuten gesehen werden möchte und wie die Journalisten es empfinden. Man legt es garnicht auf eigene Meinungsbildung an, denn es könnte ja sein, dass es dann auch Leute geben würde, die sich für diesen „Treffpunkt“ am Marktplatz aussprechen.

Ich hoffe wirklich sehr, dass nicht alle so blind sind und sich von diesem Artikel derart beeinflussen lassen, sondern sich selbst überzeugen und mal am Marktplatz vorbeischauen um sich ein eigenes Bild der Situation zu machen.

KÄFER 04.05.2008 21:23
Der größte Mist, den ich je gelesen habe

Also meiner Meinung nach hat dieser Artikel Bild-Niveau. Anders kann ich das nicht beschreiben. WER bitteschön stört sich denn an den Leuten, die da am Marktplatz sitzen? Harter Kern? Dann würde man die Leute ja langsam kennen, die dort ständig sitzen. Nein, wer mal aufmerksam durch Husum läuft, bemerkt, dass dort immer andere sitzen. Natürlich gibt es welche, die dort vermehrt sind, doch das bedeutet nicht, dass die Leute arbeitslos und obdachlos sind. Der Journalist hat sich quasi NULL erkundigt. Selbst ich, obwohl ich nicht zu den „Marktplatzleuten“ (omg, was für eine Formulierung!) gehöre, weiß mehr darüber. Woher will die Zeitung wissen, was die Leute beruflich machen? Gab es eine Umfrage? DAS glaube ich nicht. Man kann so was auch nicht verallgemeinern und erst recht nicht von einem festen Kern sprechen. Was bitte soll dieser Artikel bewirken? Jeder, der ein bisschen Grips im Hirn hat und Husum kennt, weiß, dass das alles größter Blödsinn ist. Niemand von denen pöbelt Passanten an! NIEMAND! Also meines Erachtens sitzen die da nur und unterhalten sich. Das ist nicht verboten und jeder Mensch tut so was. Man trifft jemanden auf der Straße, den man kennt und unterhält sich. Das ist kein pöbeln und macht Niemanden Angst. Wenn jemand vor dem älteren der Menschen Angst hat, sollte derjenige vielleicht mal was gegen seine Schreckhaftigkeit tun. Und was soll das Zitat: „Sie wollen auffallen.“? Ist daran etwas Schlimmes? Es wird edenfalls von der Zeitung so dargestellt. Warum sollten auch alle Menschen gleich sein? Wär doch total langweilig. Menschen sind keine Roboter, das Leben sollte bunt sein.

KADDY 04.05.2008 21:34
Annerkennung?

Also, ich würde mich selbst als einer, dieser randalierenden, bösartigen und störenden Jugendlichen betrachten… Ich wohne nicht in Husum, auch wenn ich mir die Sache gerne mal persönlich ansehen würde…
Dort, wo ich wohne, haben sich die meisten Leute völligst an „uns“ gewöhnt. Man sollte nicht vergessen, dass es sich um Jugendliche handelt und nicht um irgendwelche blutrünstigen StraftÀter. In dem alter muss man sich entfalten können und eigene Wege einschlagen.
So lange man dabei keine Mitmenschen gefÀhrdet oder Àhnliches sehe ich daran überhauptkein Problem! Es sind junge Menschen, die ihre Freiheiten brauchen. Und ich finde da sollte man seine KonservativitÀt ruhig mal abstellen können und sich ein bischen darauf einlassen! Außerdem ist mir, seit dem ich davon gehört habe ist Husum viel interessanter und ich werde ganz sicher mal rüberkommen und mir das alles anschauen.

FRERK PETERSEN
Nicht das erste Mal

Es ist nicht das erste Mal, das der shz sich für Kampagnen in Husum einspannen lÀsst…
Schon im letzten Sommer lies sich der shz bereitwillig einspannen, um alles außer shoppen auf dem Marktplatz verbieten zu können…

Artikel über Husum aus der Süddeutschen Zeitung vom 1.8.2007

„Die müssen weg“
Eine geschändete Kirche, empörte Bürger, Punks und Rechte – wie vor einer Bilderbuchkulisse Konflikte mit Jugendlichen ausgetragen werden.
Von Birk Meinhardt

Das helle, klare Licht hier im Norden hebt die Konturen der Häuser hervor. Lauter überdimensionale Scherenschnitte, die am Hafen aufgereiht sind. Davor langsam übers grobe Pflaster staksende Touristen, fast alles ältere Menschen, die gerade auf eine Hallig wollen oder von einer Hallig kommen. Oder sie möchten jetzt Krabben essen, oder sie sind gerade satt, und wenn sie satt sind, bleiben sie vor einem Ständer mit Tassen stehen, auf denen die immergleiche Robbe und jeweils ein anderer Name aufgedruckt sind; Rita, ruft ein Mann, wollen doch mal sehen, er tritt näher, zielt mit einem Zeigefinger auf die Tassen, murmelt, Regina, Renate, Rosemarie, alle hier, nur Rita nicht, und dreht wieder ab.

Außerdem besuchen die Touristen normalerweise St. Marien-Kirche gucken. Gehört zum Urlaub. Nur ist ihnen das zuletzt erheblich erschwert worden. Betrunkene Jugendliche okkupierten die Treppe vor dem Portal und pöbelten herum. Die Jugendlichen schändeten die Kirche Manche der Gäste machten nun lieber kehrt, andere gingen in die umliegenden Geschäfte, zum Beispiel zu Hansjörg Dittmer in den Fotoladen, und fragten, ob vielleicht jemand sie auf dem Weg in die Kirche begleiten könne.

Die Jugendlichen aber begaben sich auch in das Gotteshaus selber. Sie veranstalteten darin Mountain-Bike-Rennen. Ließen Kerzenwachs auf Orgeltasten fließen. Sonderten Exkremente ab. Und einer von ihnen entblößte sich vor dem Altar, und zwei kopulierten, von vier weiteren angefeuert, in einem Nebenraum, der sonst nur Apostelfiguren beherbergt.

Dabei sind sie beobachtet worden, natärlich, sonst wäre es ja nicht herausgekommen, und zwar von Mitarbeitern des Besucherdienstes. Auch die sind fast alle schon im Rentenalter. Ihre Körper flößen keinen Respekt mehr ein. Magdalene Hoffmann, die 69-jährige Leiterin des Dienstes, erzählt, wie einmal eine Gruppe in die Kirche stürmte und sie zunächst nicht sah. Alle sprangen auf die Bänke, da machte sie, Magdalene, sich bemerkbar. Raus mit euch! rief sie. Ach Alte, wer bist du denn, kannst du dich ausweisen, riefen die Jugendlichen zurück.

Ein Akt vor den Aposteln
Jene Vorfälle wurden dem Kirchenvorstand gemeldet, doch der reagierte lange nicht. Es brauchte erst den Akt vor den Aposteln, denn, um es mal so zu sagen, Sex unterm Kreuz, das ging dann doch zu weit.

Der Vorstand lud verschiedene Gremien der 22000-Einwohner Stadt zu einer Beratung, und der Pastor Friedrich Mörs benannte alles in einem Gemeindebrief. Danach bequemte sich die örtliche Zeitung, von deren Redaktion aus man einen prima Blick auf die Kirche, die Treppe und die Jugendlichen hat, zu einem Bericht, den sie dafür gleich mit dem Titel „Sodom und Gomorrha“ versah. Die Sache war nun in der großen weiten Welt.

Und? Was steckt dahinter? Erst einmal ist es ja nicht mehr als ein Spektakel. Die wirkliche Geschichte, sofern es eine gibt, muss sich darunter verbergen. Magdalene Hoffmann sagt, sie hätten es in Wirklichkeit mit zwei Gruppen von Jugendlichen zu tun. „Einmal welche, die ziemlich normal aussehen, mit so Skaterhosen. Und dann die Punks.“

Jens-Uwe Kiesbye kann das bestätigen. Er ist Husums Streetworker. Oft hockt er bei den Jugendlichen vor der Kirche oder am Rathaus oder am Hafen, je nachdem, wo sie gerade sind. „Der Sex und die Entblößung, nehmen wir nur das, wer war es denn nun?“ Kiesbye wiegt seinen Oberkörper wie ein Bär. Er steckt jetzt in der Zwickmühle, er will ehrlich antworten, aber niemanden verpfeifen. „Also die Normalos…die Normalos werfen vielleicht mal ne Buddel, und der Küster muss die Scherben aufkehren.“ – „Dann läuft es auf die Punks hinaus?“ – „Sagen wir so: Womöglich kommt es aus dem Umfeld der Punks.“

„Ich geh da gar nicht rein“
Gerade sitzen ein paar vor der Kirche, in etwa gleicher Entfernung zum Portal wie zum Fotoladen. Derjenige mit dem kunstvollsten Irokesenschnitt gibt sich vor der Presse den Namen Point. Er hat einen mächtigen Body und einen kaum erkennbaren Bartflaum, er ist erst 16. Ich wars nicht, sagt er, ich, ich geh da gar nicht rein. Ihm gegenüber murmelt einer, ich war drin, ich ja, aber ich werd den Teufel tun und was sagen.

Der Junge, der sich Point nennt, wohnt noch bei seinen Eltern. Er weiß nicht, was sie beruflich tun. „Die gehn morgens aus dem Haus und kommen abends zurück, und ich geh mittags und komme nachts. Keine Überschneidungen. Gut so.“ Andererseits lebt Point relativ munter von ihrem Geld. Wegen zu vieler Fehltage ist er von der Schule geflogen.

Links, aber fundiert links
Vielleicht wird das eine Geschichte über die Regellosigkeit, über die Auflösung von Grenzen, nur nicht mit der Dramatik von Berlin-Neukölln, sondern in den Maßen der Provinz, vielleicht.

Ein Freund von Point erscheint. Er mag gern Mosh heißen. Mosh ist kein Punk. Er streicht Point über die Dolomitenzacken auf seinem Kopf, eine Geste voller Ironie und Mitleid, und schaut lächelnd auf Points T-Shirt, auf dem steht: Wixen gegen Nazis. „Mainstream“, sagt Mosh, „das ist der blanke Mainstream.“

Er, Gymnasiast, ist ebenfalls links, aber fundierter. Er liest theoretische Schriften. Deshalb verurteilt er auch die Aktionen in der Kirche, und zwar, wie es so schön heißt, aufs schärfste. „Wo ist da das Konstruktive? Man soll die Leute nicht abschrecken, sondern aufklären.“

Tatsächlich sind die Linken in Husum in der Mehrheit, wobei die Grenzen zwischen Punks, Anarchos und Antifas verschwimmen. Und weil da diese Mehrheit ist, kommt das halbe Dutzend Neonazis, das es auch gibt, nicht so recht auf die Beine.

Die Neonazis versuchen es immer wieder
Im Grunde sind die Verhätnisse umgedreht wie in manch ähnlich großem Ort in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt, weshalb später ein schon etwas älterer Jugendlicher, einer, der manches auf dem Kerbholz hat und trotzdem kein schlechter Kerl ist, sagen wird, ich weiß ja nicht, ob es den Husumern und den Gästen lieber wäre, wenn hier überall Glatzen säßen, das glaub ich nämlich gar nicht, dass ihnen das gefallen würde.

Die Neonazis versuchen es dennoch immer wieder. Vor ein paar Tagen haben zwei ein Mädchen zusammengeschlagen, das aus Points Wohnung kam, es wiegt 40 Kilo, dafür reichte die Kraft der beiden. Überdies meldet Kevin Stein, ihr Leithammel, des öfteren Mahnwachen an, wie man von der Kripo erfährt. Und dann meldet er sie wieder ab, weil die Linken Wind davon bekommen haben; so wie er auch einen vereinbarten Treff mit der Presse absagt, wozu nun der Ältere und im übrigen kräftige Jugendliche, der manches auf dem Kerbholz hat, zum Beispiel hat er eine Stehlampe auf den Kopf einer Polizistin niederfahren lassen, mit der Lakonie des Überlegenen bemerkt: „Stein ist voll die Wurst.“

Der Speicher wird leerer
Einmal haben die Punks inmitten der anderen Gleichgesinnten sogar der Kirche etwas Gutes getan, am Reformationstag 2005. Die NPD hatte zuvor ein Flugblatt mit antisemitischen Zitaten Luthers in Umlauf gebracht und ihre Anhänger aufgefordert, zahlreich zum Gottesdienst zu erscheinen.

„Gute Miene zum bösen Spiel“
Da postierten sich, Stunden vor Beginn, 40, 50 Linke vor dem Portal. Und nun hüteten sich ausgewachsene NPD-Männer wie Jungspunde wohlweislich vor dem Erscheinen. Der Pastor ist uns dankbar gewesen, sagt Constanze Koch, die damals zu den Wachenden gehört hatte, mit einem traurigen Lächeln, denn so lang ist das her, dass es schon fast nicht mehr wahr ist.

Handelt die Geschichte, die sich den Augen der Touristen entzieht, also von politischen Lagern, oder? Abwarten. Mal sehen, was noch passiert.

Eines der Häuser am Hafen beherbergt kein Restaurant und keinen Souvenirladen. Es ist der Speicher, das Zentrum der alternativen Szene, geleitet von Constanze Koch. Sie ist 53 Jahre alt und trägt eine Leinenhose in Regenbogenfarben. Sie zeigt aus dem Fenster: „Früher war da drüben, da, wo jetzt die Wohnhäuser stehn, eine Werft. Und auf unsrer Seite hier haben die Autos geparkt. War noch nicht sone schöne Meile.“

Die ehemalige Hausbesetzerin schließt Kompromisse
Der letzte Satz klingt ironisch. Und nun, deutlicher: „Das ist Kommerz ohne Ende. Damals, inmitten der Industrie, hat ein Punkkonzert niemanden gestört. Aber wenn jetzt hier hundert bunte Leute aufschlagen, dann passen die überhaupt nicht mehr ins Bild.“

Die Interessengemeinschaft Husumer Hafen, in der vor allem die Gastwirte versammelt sind, hätte den Speicher, oder besser: dessen Besucher gern weg. Hochkantig ins Hafenbecken fliegende Blumenkübel sieht keiner so gern, außer natürlich denjenigen, die sie geworfen haben. Deshalb finden die Konzerte nur noch in den Wintermonaten statt; Constanze Koch, ehemalige Hausbesetzerin, hat gelernt, Kompromisse zu schließen. Was bleibt ihr auch übrig. Sie erwähnt einen Wirt, der in der Stadtverordnetenversammlung sitzt.

„Und diese Versammlung befindet über unsere Fördergelder, und jeder kann
doch eins und eins zusammenzählen, ich muss einfach die Position des Speichers verteidigen“, sagt sie. Es ist, als verteidige sie sich jetzt selber, vor den Punks, die ihr vorwerfen, schon Teil des Establishments zu sein. „Und sie haben ja recht, verdammte Arschkriecherei, hätte ich früher gesagt, aber wenn ich heute beim Empfang der Stadt eingeladen bin, mach ich trotzdem gute Miene zum bösen Spiel, ich find das zum Knochenkotzen alles.“

Die Folge ist, dass der harte Kern der Linken und der Punks nicht mehr bei ihr auftaucht. Weshalb Constanze Koch in ihren fröhlichen Klamotten ganz traurig auf ihrem Stuhl kauert, fast wie ein Clown nach der Vorstellung. Sie fühlt sich verlassen, ausgerechnet von ihren liebsten Kindern.

Aus Trotz und Kraftmeierei
Ein Kreislauf letztlich: Je mehr die Stadt auf die Zeit sah, mit der sie gehen musste, umso weniger sah sie auf die Jugendlichen, die mit dieser Zeit nichts anfangen können. Die Jugendlichen besetzten, aus Trotz und Kraftmeierei und Langeweile, das Zentrum der Stadt und verwundeten es.

Woraufhin wiederum die Stadt reagierte. Vor zwei Wochen erlies sie eine Satzungsänderung, die es ihr erlaubt, das bunte Volk beim leisesten Anzeichen, es könnte über die Stränge schlagen, von den Plätzen zu vertreiben. Die Regelung ist nicht so weit entfernt von Willkür. Alle zwei Stunden fahren Streifenwagen im Schritttempo an Kirche, Hafen, Rathaus vorbei. Zuweilen bleiben sie auch minutenlang stehen. Nun herrscht Ruhe, oberflächlich gesehen.

„Die müssen weg“
Manchem Bürger genügt das nicht. Der Fotoladenbesitzer Dittmer zum Beispiel hat selber die Initiative ergriffen und im Rathaus ein generelles Alkoholverbot fürs Stadtzentrum angeregt. Außerdem hat er die Jugendlichen fotografiert und dann die Bilder bei einem Runden Tisch, an dem auch die Polizei saß, vorgelegt.

Er dürfe das, denn er besitze einen internationalen Presseausweis, erklärt er. Auf der ganzen Welt habe er fotografiert. Dittmer, ein beleibter Mann mittleren Alters, beginnt zu schnaufen, als er die Treppe ins Obergeschoss seines Ladens hochsteigt, wo die Wände mit seinen Bildern vollgehÀngt sind, und er schnauft noch immer, als er berichtet, wie er einst endlose Strecken mit dem Rad gefahren ist, Tausende Kilometer, von Hamburg nach Ankara, auf der Suche nach Freiheit.

„Und was habe ich dabei gelernt? Dass es die absolute Freiheit nicht gibt. Man muss sich immer irgendwem oder irgendwas unterordnen.“ „Die müssen weg“

Großzügig: Die Stadt stellt Dixi-Klo und Wassertank.
Vielleicht steckt ja vor allem das in der Geschichte: Wie ein paar Jungs und Mädels sich nicht unterordnen wollen, und wie man darauf reagiert in einer gediegenen Siedlung, die zufällig Husum heißt. Dittmer lehnt sich, weiterhin schwer atmend, aufs Fensterbrett. Schräg unter ihm ein paar Punks und andere Schwarzgekleidete. „Die müssen weg“, sagt er erbost, „dann ist es hier wieder clean.“

Keine Chance, ihn zu fragen, wohin sie denn sollen, denn Dittmer ist jetzt schön in Fahrt, er stellt sich vor, einer von denen würde bei ihm hinterm Ladentisch stehn, das geht doch nicht, ruft er, in diesen Klamotten, und mit Piercing in der Nase, wie will so einer denn eine Leica für 1000 Euro verkaufen, ich brauche gutsituierte Leute, normale Leute, nein, ich würde solche Typen nie einstellen. Wenn Dittmer jene, auf die er eben gezeigt hat, erzählen hören könnte, würde er sich zunächst bestätigt finden. Und dann, vielleicht, widerlegt.

Reflexe auf allen Seiten
Sie heißen Alex und Janosch; das sind ihre wahren Namen, sie müssen sie nicht verbergen, weil bei der Polizei sowieso jeder sie kennt. Und bei Gericht auch. Alex hat gerade 16 Monate auf Bewährung gekriegt. Er ist derjenige, der mit der Stehlampe die Polizistin traktiert hatte. Sie wohnten damals, für 64 Euro pro Nase, in einem langen Block, mehrere aus ihrer Truppe Tür an Tür. Sie feierten infernalisch laut. Beschwerden aus den verklinkerten Einfamilienhäusern nebenan.

»Janosch, das ist doch dieser Chaot, nee, der kriegt nix« Beim ersten Eingreifen erschienen die Polizisten mit einem Streifenwagen, beim zweiten Mal mit zweien. Beim dritten Mal mit 15 Mann. Alex sagt, die hätten beim Heranstürmen schon die Knüppel geschwungen. Einer habe einem Unbeteiligten, einem Farbigen, mit den Worten „Scheiß Nigger“ Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.

Letztlich sind die Details austauschbar
Die verletzte Polizistin indes, Kristin Stielow, erklärt, niemals zuvor sei sie so hinterrücks angegriffen worden, und was den Mann betrifft, der das Spray abbekommen habe, so sei er nicht unbeteiligt gewesen, denn er habe die Musikanlage gestellt. Letztlich sind die Details austauschbar. Immer schaukeln sich beide Fraktionen gegenseitig hoch. Die eine wartet nur darauf, dass ihre Vorurteile von der anderen bestätigt werden, das alte Muster; Janosch wird mit einem Fußtritt in die Zelle befördert, er will eine Antwort geben, das ist er sich schuldig, da lässt er die Hose runter, hockt sich nieder, hat nun Kot an den Fingern, schreibt in Kopfhöhe: Ich scheiß mir in die Hand und schmier es an die Wand.

Jetzt aber die Widerlegung, speziell für den Bürger Dittmer.
Einmal geschah es, dass Alex zielstrebig durch Husum lief, und ein Streifenwagen verlangsamte seine Fahrt, und ein Polizist rief: Na, Zeckensau, wo willst du hin, zur Schwarzarbeit? Alex, muss man wissen, empfängt Hartz IV, wie auch Janosch. Ich geh zum Ein-Euro-Job, rief er zurück.

Alex, gelernter Tischler, arbeitet täglich acht Stunden. Janosch steht, für ebenfalls einen Euro, in der Küche eines Cafes, gerade hat er drei Wochen seinen urlaubenden Chef ersetzt. Er will einmal Koch werden. Die Stadt stellt sogar ein Dixi-Klo Er kann das, sagt Jens-Uwe Kiesbye, der Streetworker, er kocht richtig
gut. Aber jetzt, da Janosch und Alex langsam beginnen, ruhiger zu werden, da sie sagen, wirklich, wir haben genug Mist gebaut, jetzt ereilt sie die Rache der Vergangenheit oder der Reflex des Ortes, in dem jeder jeden kennt, wer will das auseinanderhalten. „Lass es eine Wohnung sein oder einen Job, du bewirbst dich, und gleich heißt es: Janosch, das ist doch dieser Chaot, nee, der kriegt nix.“

Er lebt mittlerweile in einem Wohnwagen der Stadt, auf einem Parkplatz weit draußen, hinter der Umgehungsstraße. Die Stadt stellt ihm sogar Wassertank und Dixi-Klo. Sie hat ihn, fürsorglich und hilflos, ausgelagert.

Das war die Geschichte, die hinter den Scherenschnitthäusern spielt. Den Urlaubern davor noch schönen Aufenthalt.

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