Husuma

1. Oktober 2005

Ist die WASG jetzt rechts? Das Problem mit der verkürzten Kapitalismuskritik


Oskar Lafontaine redet von Fremdarbeitern in Dresden, die NPD ruft zur Unterwanderung auf, SPD/CDU- Politikers wollen die WASG vom Verfassungsschutz beobachten lassen, Umfragen versprechen Spitzenwerte und bei ARD und ZDF dürfen WASGis nicht mehr auftreten. D- Land am durchdrehen oder was ist da los?

Deutschland und Parteien
Erst mal vorweg: Die WASG ist nicht rechtsextremistisch. Sie ist nur eine deutsche Partei, die sich auf die deutsche Nation bezieht und für das deutsche Volk da sein will. Und Deutsche sind nun mal nicht die menschenfreundlichsten. Deswegen ist die WASG auch nicht menschenfreundlicher als die Wählis, von denen sie gewählt werden wollen. So kommt es, das WASGis sich mal positiv zu Folter als letztes Mittel, dann mal positiv zu Auffanglagern für Migranten in Afrika äußert. Doch deswegen sollten die etablierten Parteien nicht abdrehen, denn all das gilt auch für sie. Und König Oskar ist es einfach egal, wer ihn wählt. Hauptsache, er wird gewählt.

Das McAllister-Phänomen
Die Panikreaktion der etablierten Parteien liegt daran, dass sie einfach um Stimmen fürchten. Und da ist auch den Grünen jedes Mittel recht, Hauptsache sie behalten ihre Stühle. Der Ruf nach dem Verfassungsschutz kann auch so gelesen werden: „Hilfe Verfassungsschutz, da ist eine Partei, die wird eine unseren Status bedroht. Das kann doch nicht richtig sein!“ Als ob den Parteiheinis die Republik gehöre. Aber anscheinend sind sie davon überzeugt….das McAllister-Phänomen, benannt nach dem niedersächsischen CDU-Fraktionschef.

Populismus statt Politik?

Aber nun zur WASG/Die Linke/PDS-ML/Wie auch immer zurück: Es sind Populisten. Und Populisten verkürzen nicht nur, sie stellen auch Kausalzusammenhänge her, wo keine sind. Beispiel: Friedrich Merz, CDU: „Nirgendwo lässt es sich ohne Arbeit so bequem leben wie in Deutschland. Das muss gesagt werden, auch wenn es denen, die keine Arbeit haben, oft schlecht geht.“ (Berliner Zeitung, Mai 2004, Rechtfertigung für Kürzungen bei Sozialausgaben). Genauso könnte man sagen: „Nirgendwo haben es die Obdachlosen so trocken wie in der Sahara. Das muss gesagt werden, auch wenn es den Obdachlosen dort oft schlecht geht“. Populisten bieten für komplexe Probleme scheinbar einfache Lösungen, in dem sie Kausalzusammenhänge vergröbern und neu kombinieren. Leider ist dies seit Jahren auch in der Linken verbreitet. Beispiel: Die Friedensbewegung: „Danke Schröder! Danke Chirac!“ und ähnliches war auf Demos zu hören. So ein Quatsch: 1999 haben beide beim Luftkrieg gegen Serbien mitmachen lassen, ohne UN- Mandat. Das sich das BlaBla zudem explizit positiv auf Herrschaft bezieht, obwohl herrschaftsförmige Gesellschaftsmodelle eine potenzielle Kriegsursache darstellen, ist erst recht absurd. Aber ein gutes Beispiel dafür, dass bei Populismus Herrschaftsfreiheit tendenziell zu kurz kommt. Auf die ebenfalls herrschaftsförmige populistische Idee, eine angeblich gute, friedliche EU gegen die angeblich böse USA etablieren zu wollen, braucht hoffentlich nicht eingegangen zu werden.

Kapitalismuskritik mit recht(s)?

Aber wie kann es sein, dass die eigentlich kapitalismuskritische, anti-neoliberale Kritik an Hartz IV zu einem nationalistischem: „Wir sind das Volk!“ wird, und Neonazis oft ohne Widerspruch mitmarschieren durften?
„Steuerfreiheit für Gewinne, die im Unternehmen in Deutschland verbleiben und somit für Investitionen und Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Verfügung stehen“. „Absage an die Globalisierungspolitik, Wiedereinführung einer deutschen Volkswirtschaft und Sicherung der Grenzen vor Wareneinfuhr aus Billiglohnländern“.„Es ist ein Skandal, dass das BRD- Steuerrecht deutsche Unternehmen begünstigt, die ihre Produktionsstätten im Ausland errichten.“ Hört sich erst mal irgendwie „links“ an, ist aber NPD-Homepage.

Verkürzte Kritik

Diesen Analysen liegt der Gedanke zu Grunde, dass das angebliche oder reale „Böse“ im Kapitalismus benennen zu wollen. => Die da „oben“ seien schuld. Und die realen oder angeblichen da „oben“ ließen sich auch mit Namen nennen: Politiker, Banker, Reiche. Und diese Menschen würden reale oder angebliche Klüngel und Geheimbünde bilden, um dieses Land/ diese Welt zu kontrollieren. Und wenn diese Klüngel dann auch noch Israel als realen oder angeblichen Vorposten im nahen Osten etablierten, um alle anderen Territorien wirtschaftlich kontrollieren/ ausbeuten zu können und Kritik daran angeblich als antisemitisch abgetan werde, dann sei doch klar, wer daran angeblich schuld sei, und die Welt regiere: Der Jude. => Das war verkürzte Kapitalismuskritik. Und ein Beispiel, wie schnell diese ins Antisemitische abgleitet. Wie kann es sein, dass diese eigentlich „links“ verortete Kritik so eine riesige offene Flanke zum Antisemitismus hat, und damit auch für die NPD interessant wird?

Herrschaft ist komplexer
Der Fehler steckt schon in der Feststellung, dass die da „oben“ schuld seien. Die gibt es so nämlich gar nicht. Ein „unten“ gibt es zwar, sowohl ökonomisch, als auch politisch. Doch die Machtverhältnissee sind derart komplex und verschachtelt, das sie nicht nur mit „oben“ und „unten“ dargestellt werden können. In jedem gesellschaftlichem Subraum gibt es neue, manchmal konträr versetzt Hierarchien. Beispiel: Papa über Mama, beide vor den Kids. Oder Lehrer über Schüler, Direktor über Lehrer, aber Schülers Papa über Direktor, weil Staatsanwalt. Weil die Autoritätsverhältnisse so konträr zueinander sind, ist auch kaum jemand mit der Abschaffung aller Autoritätsverhältnisse einverstanden. Viele schimpfen zwar auf „die da Oben“, sind aber trotzdem ständig bemüht, ihre eigene Position nach oben auszubauen und nach unten abzusichern. Selbst bei sich als „links“ definierenden Menschen ist dies oft so. Wer kennt nicht die Situation, wo sich innerhalb der eigenen Gruppe zwei Alphamenschen (meistens männlich) mit dominanten Redebeiträgen versuchen, sich gegenseitig auszustechen? Oder das Plenum, wo Eliten durch abgestimmte Beiträge, Gestaltung der Tagesordnung und andere Tricks ihren Einfluss gerade durch angebliche „Gleichheit“ bewahren? Da jeder gesellschaftliche Subraum tendenziell von Herrschaft und Hierarchien durchzogen ist, macht eindimensionale Personalisierung (die da oben<=> die da unten, die Banker, die Juden) keinen Sinn, wenn mensch Herrschaft und Hierarchien bekämpfen will.

Autoritäre Zuspitzung in der Gesellschaft
Um so größer offenbart sich die Nähe zum Rechtsextremismus und Antisemitismus. Breite Bevölkerungsteile in der BRD sind durch die realen oder angeblichen folgen der Globalisierung verunsichert. Um so mehr verlangen die größtenteils autoritär zugerichteten Bürgers nach staatlicher Autorität. Und nach einem neuen starken Mann: 17% wünschen „einen Führer, der D-land zum Wohle aller mit starker Hand regiert“, 25% meinen, D-land brauche „eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“ (Spiegel Nr.5/2005). All dies bevorzugt Populisten und „starke Männer“ wie z.B. Schill oder Lafontaine, der auch für Folter, Krieg und Lager in Afrika ist (https://www.lafontaine.de.vu). Deshalb ist es fatal, mit verkürzter Kapitalismuskritik auf Stimmenfang zu gehen, da damit herrschaftsförmiger Politik Tür und Tor geöffnet wird.

Herrschaftsfreiheit offensiv einfordern
Das Problem bei Kapitalismuskritik ist also, dass mensch einerseits darstellen muss, das 5% der Bevölkerung 49% des Vermögens besitzen und die unteren 10% sich 4% der Kohle teilen müssen, und etwa 3000 Elitemenschen (Lehrbuch Sozialkunde/Oberstufe) alle Schlüsselpositionen besetzen, und trotzdem oder gerade deswegen Hierarchien, Autoritäten, Gewalt und Herrschaft quer durch alle gesellschaftliche Subräume verlaufen. Deswegen ist plattes „die da Oben“ – Geschaule zu wenig. Der Abbau von Herrschaft muss bei uns selber beginnen und wir müssen uns/ unsere Gruppe ständig hinterfragen, wenn wir Herrschaft und Hierarchien ernsthaft angreifen wollen. Herrschaftsfreie Subräume müssen offensiv hergestellt werden. Aber all das will die WASG gar nicht, und deshalb ist es auch kein Wunder, dass König Oskar I. und PDS- ML (mit Lafontaine) schnurrstracks herrschaftsförmig argumentieren und ins Parlament rennen, um mitzuherrschen..


(Vom Spiegel geklaut)

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