Husuma

28. Juni 2010

A new way of resistance?


Demos im Wanderkessel, die niemanden erreichen? Endlos lange Plena, in denen immer nur dieselben angeblichen Wichtigmenschen immer nur dieselben angeblich wichtigen Statements abgeben? Die Schnauze voll von Hegemonialdenken und Labelpolitik in Bündnissen? Dann mach doch einfach selber Politik! Wie? Du meinst das geht nicht? Wetten dass?

Normalität sprengen
Normalität und die diese definierende kulturelle Grammatik wirken auch in politischen Zusammenhängen. Auch in angeblich emanzipatorischen Zusammenhängen gibt es ein unausgesprochenes Regelwerk, das einerseits vorgibt, welche Verhaltensweisen wann wie angemessen erscheinen, und anderseits informelle Hierarchien und Dominanzen absichert. Hinzu kommt, dass Politgruppen, Parteien und Verbände viel zu oft einfach nur Identitätspolitik machen, die ein gesellschaftliches Ghetto schafft, in der die (nicht) Agierenden sich wohl fühlen. Veränderungen sind da gar nicht erwünscht, da sie die traute Einigkeit bedrohen. Oft werden Veränderungsversuche sogar aktiv bekämpft, indem z.B. Repressionsangst geschürt wird, anstatt sich subversiv damit auseinanderzusetzen, dass politisches Engagement für Veränderungen tendenziell Repressionsorgane auf den Plan ruft. Doch das muss nicht so sein.

Kommunikationskorridore öffnen
Wann hast du zum letzten Mal mit deinem Umfeld über Utopien diskutiert? Bei den meisten Linken ist dies sehr lange her…Als ob es etwas Falsches sei, sich für seine Träume einzusetzen, verschleiern viele Linksradikale in Diskussionen ihre Positionen. Auseinandersetzung ist häufig überhaupt nicht erwünscht. Dementsprechend fehlt den meisten Linken auch die Praxis, und selbst Infostände und Unterschriften sammeln erscheinen unglaublich schwer. Dabei wird nur die Diskussion mit anderen Menschen deine Positionen und Utopien verbreiten

Aber niemand interessiert sich für dein Thema?

Macht nix, dass lässt sich ändern. Erregungskorridore lassen sich mit kreativen Aktionen gezielt öffnen, wenn diese kommunikativ oder normalitätsbrechend sind. Beispiele gefällig?



Bundestagswahl 2005 in Husum

Im Vorfeld der Bundestagswahlen kam es zu vielfältigen, herrschaftskritischen Aktionen. Viele verschiedene Strategien wurden von vielen verschiedenen AktivistInnen angewandt. Einige nutzten Subversion, um Wahlplakate täuschend echt so umzugestalten, dass diese statt platter Wahlwerbung herrschaftskritische Positionen verkündeten. Andere sprühten lieber mit Schablonen kritische Graffitis auf alles, was sie fanden. Andere wiederum wählten die heftige Gangart, und attackierten wiederholt die Husumer Parteizentralen mit Farbe, Slogans und Stinkbomben. Doch auch offene Aktionen fanden statt: Eine AktivistInnengruppe spielte wiederholt verstecktes Theater in der Innenstadt und formulierte dabei Kritik an Demokratie und Herrschaft. Die Wirkung des bunt gemischten Aktionsreigens lässt sich in diesem Fall sogar empirisch belegen: Die Wahlbeteiligung sackt um 14% ein. Nirgends im Land oder in der näheren Umgebung gibt’s ein derartiges Ansteigen der NichtwählerInnen wie 2005 in Husum.


Reformationstag 2005
Geschickt eingesetzt genügt ein kopiertes Flugblatt, um selbst die diskursive Gesellschaftsebene völlig durcheinander zu wirbeln. Aber der Reihe nach: Eine Woche vor dem Reformationstag 2005 wird in Husum ein Flugblatt verteilt, das augenscheinlich von der NDP stammt. Auf diesem Flugblatt lobt der damalige Landes-NPD-Kassenwart Artur Nissen (Rödemis) Martin Luthers Antisemitismus und fordert auf, diesem in der Kirche im Reformationsgottesdienst zu gedenken. Die NPD dementiert später ihre Urheberschaft. Es sei den unbekannten TäterInnen um die Provokation einer Hausdurchsuchung bei Nissen gegangen. Trotzdem schlägt die Nachricht ein wie eine Bombe. Die Kirchengemeinde ist in Aufregung, die Antifa meldet eine Gegendemo an, die Polizei bestellt eine Hundertschaft Bereitschaftsschläger. Am Ende passiert gar nix, aber Luthers Antisemitismus ist für zwei Wochen Stadtgespräch.
Mehr zu Luthers Antisemitismus und den Aktionen unter: https://de.indymedia.org/2005/11/131275.shtml


Verhinderte Abschiebung der Familie Makitu
Juni 2006: Die Familie Makitu soll innerhalb kürzester Frist abgeschoben werden. Grüne, Jusos, Gewerkschaft und Kirche halten das Flugzeug für abgeflogen. Doch einigen Jugendlichen gelingt es, mit kommunikativen Aktionen 300 Menschen zu einer Demo zu mobilisieren. Und siehe da: Auf einmal finden auch Grüne, Kirchen, etc. den Fall wichtig, und beteiligen sich an einem sog. Runden Tisch, der als aller Erstes die Proteste gegen die Abschiebungspolitik der Ausländerbehörde des Kreises Nordfrieslands abwickelt. Doch trotzdem ist der öffentliche Druck bereits stark genug, um ein Bleiberecht für die Makitus zu erkämpfen.

Erfolgreich auch gegen den Mainstream

Auch in konservativen Kleinstätten lässt sich also erfolgreich linksradikale Politik betreiben wenn mensch es nur will. Und es lohnt sich, sich zu trauen und mit der eigenen bleiernen Szene-Normalität zu brechen.

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