Husuma

21. Januar 2013

Stellungnahme zum Ausschluss rechtsoffener Personen

Im Verlauf des Dezembers haben wir beschlossen, nicht weiter mit zwei ehemaligen Gruppenmitgliedern zusammenzuarbeiten. Hintergrund dazu sind Konflikte um mangelnde Abgrenzung von faschistischen Gedankengut (genaue Schilderung siehe weiter unten). Für die Entscheidung zum Kooperationsabbruch sind für uns verschiedene Gründe ausschlaggebend. Wir sind der Meinung, dass für ein emanzipatorisches Engagement gerade in „Single-Issue-Topics“ wie die Friedensbewegung eine ist, ein antifaschistischer Wertehorizont unabdingbar ist („Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“). Dazu gehört in unseren Augen persönlich wie organisatorisch die absolute Nicht-Kooperation mit FaschistInnen.

Schutz von Strukturen
Ein weiterer Grund lässt sich grob mit dem Schlagwort „Schutz von Strukturen“ umschreiben. Wir können nicht ausschließen, dass eine Person, die in linksradikalen Strukturen agiert, und sich trotzdem nicht eindeutig gegen faschistische Bestrebungen positioniert („rechtsoffen“), Kontakt zu faschistischen Organisationen aufnimmt, und damit ein Sicherheitsrisiko für unsere Aktiven oder unsere KooperationspartnerInnen wird. Natürlich lässt sich dies eigentlich bei keinem Menschen per se ausschließen, doch ist in unseren Augen die Wahrscheinlichkeit bei Menschen mit ehemaliger soziokultureller Anbindung an ein faschistisches Milieu so relevant erhöht, dass wir für eventuelle Folgen nicht die politische Verantwortung tragen wollen.

Noch keine abschließende Bewertung
Außerdem möchten wir den vorläufigen Charakter dieser Stellungnahme betonen. Uns erscheint es wichtig, diese Auseinandersetzungen zeitnah öffentlich zu machen (Strukturschutz), obwohl bislang noch nicht von einer abschließender Bewertung die Rede sein kann. Zum einen ist die Diskussion um den weiteren Umgang mit der Möglichkeit einer Wiederholung ähnlicher Abläufe in einer offenen Gruppe, die öffentliche Aktionen und Veranstaltungen macht, bei uns bei weitem nicht abgeschlossen. Desweiteren können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausschließen, das neue Informationen es notwendig machen, die Situation neu zu bewerten. In diesem Fall werden wir sämtliche Kooperationspartner_Innen zeitnah informieren und ebenfalls eine öffentliche Äußerung abgeben.

Schilderung der Abläufe
Bei unserer Gruppe handelt es sich um die momentanen Mitglieder der Husumer Initiative „Militarismus jetzt stoppen!“, welche sich nach dem diesjährigen Camp im August bildete. Am 01.12.2012 wurde von einem der Mitglieder das achtseitige Pamphlet “So viel zur Meinungsfreiheit” von der ehemaligen Anwältin Silvia Stolz im Rahmen unseres regelmäßigen Gruppentreffens verteilt. Der verteilte Text behandelt Vorgänge und Abläufe in Gerichtsprozessen gegen Frau Stolz, in welchen sie §130 StGB (Volksverhetzung), als unzulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit ansieht. Die Autorin wurde aufgrund von Holocaustleugnung mit einem 5-jährigen Berufsverbot belegt und organisierte eine Unterstützungskampagne anlässlich einer Inhaftierung des Faschisten Horst Mahler. Sie wurde bis dato wegen Volksverhetzung, Nötigung, versuchter Strafvereitelung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen („Hitlergruß“ in der Öffentlichkeit) verurteilt.

Mangelnde Distanzierung
Als Reaktion auf diesen Text wurde das entsprechende Mitglied nach den Gründen für das Verteilen des Textes gefragt. Als Begründung wurde angegeben, dass Frau Stolz auf dem Anti-Zensur-Koalitions-Kongress (24.11.2012 in der Schweiz), der auch vom betreffenden Mitglied in der Vorwoche besucht worden war, ihre Argumente mit einer sehr ruhigen, gefassten Stimme darlegte und das Mitglied “nicht ausreichend über den Nationalsozialismus informiert sei um sich darüber eine Meinung zu bilden”. Jedoch gab sie auch an, zu diesem Zeitpunkt nicht über die faschistischen Aktivitäten von Frau Stolz informiert gewesen zu sein. Anhand des Inhaltes des Textes oder des zweistündigen Vortrages von Frau Stolz bei der Konferenz habe sie dafür keine Hinweise bekommen. Die AZK wird von Ivo Sasek, dem Gründer der extrem-evangelikalen Sekte „Organische Christus-Generation“ (OCG) organisiert. Die AZK stellt ein Forum für esoterische Thesen dar, auf welchen auch FaschistInnen wie Silvia Stolz Raum für ihre Thesen gegeben wurde. Der Vortrag von Sylvia Stolz über Holocaustleugnung ist auf den einschlägigen Homepages abrufbar. Da dies für die Mitglieder der Gruppe keine ausreichende Distanzierung darstellte, wurde die Zusammenarbeit eingestellt.

Hausverbot im Speicher
Außerdem wurden auch die Verantwortlichen des soziokulturellen Zentrums „Speicher Husum“ über den Vorfall informiert, da das betreffende Mitglied dort kurz zuvor angefangen hatte, ehrenamtlich zu arbeiten. Dies führte nach einer erneuten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem Hausverbot. Am 22.12.2012 wurde uns von der Geschäftsführung des Speichers mitgeteilt, dass sie von einer in überregionalen Antifavernetzungen engagierten Person erfahren habe, dass eine weitere seit Sommer in unserer Gruppe aktive Person in der Vergangenheit durch Kontakte zu FaschistInnen aufgefallen sei. Die betroffene Person sei 1992 im Kontext der „Aktion Deutsches Königsberg“, hinter welcher der faschistische Verleger Dieter Munier steht, für mehrere Monate im ehemaligen Ostpreußen gewesen, um dort „Aufbauarbeit“ in einer „re-germanisierten“ Gemeinde zu leisten. Außerdem sei in einer Druckerei, die in einer Immobilie des Betroffenen eingemietet war, Mitte der 90ziger Jahre die reurechte antisemitische Zeitschrift „Sleipnir“ gedruckt worden. Zudem sei der Betroffene 1992 bei einem Treffen bedeutender Neonazis in Berlin anwesend gewesen.

Konfrontation mit den Vorwürfen

Leider durch die Festtage verzögert konfrontierten wir daraufhin die beschuldigte Person mit den Vorwürfen in einem direkten Gespräch. Sämtliche Vorwürfe wurden bestätigt. Die beschuldigte Person verhielt sich durchweg sehr kooperativ und gab in dem dreistündigen Gespräch tiefe Einblicke in seine damaligen Motivationen. Dabei zeichnete sich das Bild einer Person, die soziokulturell tief in ein faschistisches Milieu eingebunden war, milieuangepasst handelte und mittlerweile zu vielen Weggefährten keinen Kontakt mehr hat; sei es aufgrund von Todesfällen, Streit oder einfach aufgrund eines auf Gegenseitigkeit beruhenden Auseinanderlebens. Formelles Mitglied in einer faschistischen Organisation (einschließlich des Schulvereins für Ostpreußen e.V.) sei er aber nicht gewesen.

Distanzierung von organisierten FaschistInnen
Außerdem distanzierte sich besagte Person im Gespräch deutlich von Dieter Munier, faschistischen Bestrebungen und von seinen früheren Tätigkeiten. In der Frage, ob er heute in der „Sleipnir-Frage“ heute anders handeln würde, zeigte sich ein deutlicher Dissens. Er lehne jegliche Zensur ab. Statt dessen solle seiner Meinung nach in einer freien, gleichberechtigten Auseinandersetzung alle Positionen in den öffentlichen Diskurs einfließen können, damit eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Inhalten möglich sei.

Falls es Fragen zu den Abläufen oder Gesprächsbedarf geben sollte, kontaktiert uns bitte unter redaktion(at)gmx.de.

2 Comments »

  1. Erstmal möchte ich mein Lob aussprechen, dass ihr mit dem Thema offensiv umgeht und es öffentlich thematisiert.

    Ich finde es allerdings überhaupt nicht überraschend, dass solche Personen in eurem Umfeld auftauchen. Zu gut passt eure Thematik zu Personen, die irgendwo aus der Schnittmenge von Esoterik, Verschwörungstheorien und Rechtsextremismus stammen: „Die Amerikaner und ihre zionistisch Ferngesteuerten in der BRD terrorisieren die ganze Welt“. Die Aussage mag überspitzt klingen, trifft doch aber den Punkt. Dort lässt sich auch der thematische Bogen zu Holocaustleugnern wie Mahler schlagen. Allgemein gibt es in der Linken viele Kreise in denen ein gewisser struktureller Antisemitismus vorherrscht. Man kann diesen nicht immer plump Antisemitismus vorwerfen. Es gibt allerdings viele Fälle, wie auch dieser, die zeigen, dass man dadurch auch interessant für „echte“ Antisemiten wird.

    Vielleicht könnt ihr ja die Chance nutzen, alles etwas breiter zu thematisieren. In der Gruppe und vieleicht auch öffentlich. Das soll euch überlassen sein.

    Kommentar by Anonymous — 23. Januar 2013 @ 13:24

  2. Genau die gleiche Diskussion gab es anläßlich der Demonstrationen zum Friedenswinter im Dezember 2014 u. a. in Hamburg, wo die erwartete Beteiligung von Faschisten und „Rechtsoffenen“ aus den sogenannten Montagsmahnwachen dazu führte, daß z. B. die VVN-BdA Hamburg und andere Antifaschisten sich nicht an der Friedenswinterdemonstration in Hamburg beteiligten. Aber aus der VVN-BdA Schleswig-Holstein gab es dort Beteiligung mit Transparenten wie „Nationalismus führt zum Krieg“ „Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg“ und von der DFG-VK natürlich „Bundeswehr abschaffen!“ Ein Faschist, der sich solchen Forderungen anschließen könnte, ist wohl keiner mehr. Mit Menschen vom Hamburger Forum habe ich das kritisch ausgewertet und seitdem achten wir bereits beim Aufruf zu Veranstaltungen darauf, unsere politische Forderungen so zu formulieren, daß es den „rechtsoffenen“ unmöglich gemacht wird, sich dem anzuschließen.
    Trennscharfe Formulierung ist vor allem: „Bundeswehr abschaffen“,
    aber auch z. B.: „Für Offene Grenzen“, „uneingeschränktes Grundrecht auf Asyl“, „Bleiberecht für alle“ oder „Freizügigkeit weltweit“. Das ist in den Aufrufen zu den Ostermärschen am 3.4.2015 in Bramstedtlund und am 6.4.2015 in Hamburg nachzulesen.

    Kommentar by Ralf Cüppers — 27. Februar 2015 @ 15:37

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