Husuma

20. März 2011

GAU in Japan

Knall. Peng. Bumm. Und da ist es passiert. Das, was nicht passieren darf. Weil es angeblich nicht passieren kann. In Japan ist es zum GAU gekommen. Ein Kommentar.

Es ist zum GAU gekommen, obwohl BetreiberInnenfirmen und Regierung immer betonten, alles im Griff zu haben, verschlimmerte sich die Situation mit jeder verstreichenden Sekunde. Erst als das Fernsehen den explodierenden Reaktor zeigte, räumte man ein, dass es Probleme gäbe. Aber alles sei wieder unter Kontrolle. Naja, werden einige sagen, in Japan stehen die Atomschleudern ja in Erdbebengebieten. Aber Fessenheim, Neckarwestheim und Biblis stehen auch in tektonisch aktiven Regionen. Der im Zusammenhang mit Tschernobyl verwendete Verweis auf „russische Standards“ hilft auch nicht weiter. Der GAU hat sich in der zweitgrößten Wirtschaft, die moderne Technologie nutzt, ereignet.

Ein ½ Jahr nach der Laufzeit-Verlängerung für hiesige Atomschleudern wird uns deutlich gezeigt, dass das Atomkraftrisiko nicht kontrollierbar ist. Das wissen 80% der Bevölkerung, aber die Eliten können weiter machen wie bisher. Es gibt kein demokratisches Mittel, sie zu stoppen. Gerade die grüne Regierungspartei sicherte die Atom-Profite für 30 Jahre, obwohl sie bis 1999 den sofortigen Ausstieg forderten.

Dieses Schwinden von Einfluss auf die Politik wird Postdemokratie genannt: Fürs demokratische Herrschaftssystem typische Instanzen bleiben formal er-halten, werden jedoch bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt. Statt dessen wird die Zustimmung zu Projekten der Eliten durch Populismus suggeriert. Bürgervorsteherin Birgit „Maschinengewehr“ Encke versucht mit Truppenbesuchen und Sprechstunden genau wie Ex-Minister Googleberg Nähe zum regierten Objekt (SoldatIn/ BürgerIn) zu suggerieren. Die Verschärfungen der Polizeigesetze finden ihre kommunale Entsprechung im auf Werbeanbieter verweisenden Verbot des Husumer Ordnungsamtes, Demoplakate aufzuhängen.

Parteien oder Justiz als Gegengewicht? Die Entscheidungen zur Gleisblockade sprechen eine deutliche Sprache: Richter Veckenstedt (Amtsgericht Husum) urteilte, dass nachts in einem Dorf kein Demorecht gelte, da niemand dazu käme. Richter Williams (OLG) verkündete, das Demorecht gäbe „einem Versammlungsteilnehmer nicht das Recht, im Rahmen der Versammlung Dinge zu tun, die er als Einzelner nicht tun dürfte.“ Heißt das, dass in Schleswig-Holstein ab sofort Demos nicht mehr auf der Straße laufen dürfen? Das Ordnungsamt des Kreises geht bereits diesen Weg. Es verbot im Juni einer Fahrrad-Demo die Nutzung der Straße. Wachleiter Emil Goddau ließ es sich nicht nehmen, dies persönlich durchzusetzen.

Es ist ein trauriges Paradox, dass sich die staatstragenden DemokratInnen der spärlichen Möglichkeiten im demokratischen Regime entledigen, und ausgerechnet Dissidenten wie die AktivistInnen um Hanna Poddig für die demokratischen Beteiligunsinstrumente kämpfen. Die Geschichte wiederholt sich erneut als Farce. Bei der Wahl zwischen Besitz und Freiheit entschied sich der Bürger im Zweifel bisher immer für die autoritäre Option. Ich hoffe, die Tragödie öffnet vielen die Augen, um hier vor Ort auch nicht mehr wegzusehen.

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