Husuma

9. September 2008

Die Bahn kommt

Alltägliches Tohuwabohu Umweltverschmutzung und das gute gute Geld.

Die kleine Stadt Husum ist der Beginn unserer Reise in die wirre Welt der öffentlichen Verkehrsmittel. Gut informiert stehe ich morgens mit meiner Bahncard 50 am Bahnhof mit der zuvor online eingeholten Information das mein Ticket nach Bremen im IC 23,50€ kosten soll. Ich gehe also guter Dinge zu den Bahnautomaten, aber schon hier hört die bunte blumige Bahnwelt, welche mir in der Werbung und durch unsere Politiker suggeriert wurde auf. Ich stehe vor 3 verschiedenen Automaten, jeder hat eine andere Funktion und eine andere Oberfläche. Da ist der Automat von der NOB (Nord-Ostsee-Bahn, ein Privatunternehmen), einer der deutschen Bahn und einer dessen Funktionsweise sich mir selbst bei sehr genauer Begutachtung nicht erschließen wollte. Irgendwie hat der deutsche Bahnautomat aber das Rennen gewonnen, was so vermute ich, da dran lag das ich die alten rottigen Bahnen in denen ich in der Vorprivatisierungszeit gefahren bin, auf mich immer total punkig wirkten und somit das Unternehmen auf einer tiefenpsychologischer Ebene Pluspunkte bei mir hatte.

Der Automat informiert mich, das mein Ticket 19 € kosten soll, was mich ja freut, aber irgendwie trau ich der ganzen Sache nicht. Aber na gut, der Schaffner wird das Ticket ja schon irgendwie anerkennen müssen und vielleicht lässt er mich ja mit dem günstigeren Preis fahren. Ich kann mich sogar noch an Zeiten in den 90ern erinnern, als Schaffner an Weihnachten und Sylvester nur nett lächelnd an einem vorbeigingen, in dem guten Wissen, das man nicht in Besitz eines gültigen Fahrscheines war. Als ich diese Erinnerungen aus den Tiefen meines Gedächtnissumpfes hervorholte, ging ich mit neuem Vertrauen in die Menschheit hoch zum Bahnsteig.

Der Zug stand bereits dort und die Schaffner trällerten fröhlich auf ihren Pfeifchen rum. Sicher ist sicher! dachte ich mir und ging zu einem dieser Dienstleister, die den Fahrkartenkontrolldienst leisten und frug: „Entschuldigen sie, mein Ticket ist billiger als es im Internet steht, das find ich zwar gut, aber ist das denn richtig so?“ „Ne, ihr Ticket is ungültig“ „Wie ungültig, ich habe es doch grad für Strecke Husum Bremen gelöst!“ „ Es ist in diesem Zug aber nichts wert!“ sagt mit der Bahnangestellte im leicht gereizten Ton. „Sie haben es am falschen Schalter gelöst“. So nun war der Punkt erreicht, an dem ich gereizt war, der Schaffner ging weiter und lies mich in meiner Fassungslosigkeit zurück. FEHLER!

Eher passiv nahm ich war wie ich auf einmal höchst aktiv über den ganzen Bahnhof „Kapitalistenschweine“ und „Scheiß Unternehmen“ schrie. Ich war so in Rage und voller Adrenalin das mir das normale Atmen nicht mehr möglich war und ich allgemein die Erscheinung eines Gorillas annahm, den man grade seine Lieblingsbanane geklaut hatte. Mein neues Äußeres Tat seine Wirkung als ich mich dazu entschied, nach halb rationaler Überlegung, doch in den Zug zu steigen und mir dann wohl oder übel ein neues Ticket zu lösen. Die Leute starrten mich an, wahrscheinlich konnten sie die zuvor wahrgenommen Rufe nun einer Person zuordnen und taten dies mit großer Befriedigung, ich enthielt mich jeglichen Kommentars bekam meine Atmung aber immer noch nicht in den Griff und kramte deshalb mein Handy raus und rief einen Freund an. Den habe ich dann auch erst mal zugebrüllt wie die Situation sich verhielt. Ich konnte seine Verwirrung hören und die der umhersitzenden Leute immer deutlicher in ihren Gesichtern sehen. Nachdem ich meine Handy zusammengebrüllt hatte, war ich wieder in der Lage zu sitzen, normal zu atmen und wieder die Form eines Menschen anzunehmen.

Ein paar Minuten später kam mir der Dienstleister entgegen und bat mich ihm dann doch mal das Ticket zu zeigen. „Ja okay, ich bin davon ausgegangen sie hätten eins mit dem SH-Tarif“ „SH-Tarif?“ „Ja, also sie haben das doch am richtigen Automaten gezogen, wären sie an dem Automaten der NOB gewesen dann wäre ihr Ticket ungültig.“ „Okay, aber das ist schon ne fiese Sache oder? Ich habe das ja jetzt nur aus dem DB-Automaten gezogen weil der mir sympathischer war.“ Verwirrter Blick des Schaffners und mir wird bewusst wie blöd das klingt. „Ja, dann wäre ihr Geld weggewesen.“ „Aber da ist doch gar kein Hinweis auf so was. Das ist doch voll die Abzocke. Ich hab ja jetzt Glück gehabt. Ich mein ich hatte ne 50 50 Chance das mir 23 Euro verloren gehen. Wissen sie, ich bin FÖJler und da verdient man nich so viel Geld.“ Der Bahnmensch schaut verständnisvoll und sagt: „ Ja, also es ist so, wenn sie ein Ticket von der NOB kaufen fließt das Geld ja in die NOB und nicht an die Bahn, das gibt ja dann Finanzierungsprobleme.“ „Ja aber das kann doch der Kunde nicht wissen, den müssen sie ja drauf aufmerksam machen.“ „Haben wir ja. An die NOB-Automaten haben wir Schilder dran gemacht.“ „Als ich da war, waren da keine.“ „Ja, da sind ja auch keine mehr.“ „ Warum?“ „Die NOB wollte die Schilder nicht mehr da haben“ „Um mich zu verarschen?“ Der Schaffner schweigt.

Ich überlege einen Augenblick ob es Sinn macht weiter auf den Schaffner einzureden in der Hoffnung ihn zum Mitstreiter für eine Revolutionierung des öffentlichen Verkehrsdienst zu machen, stelle dann aber nach etwa 1,5 Sekunden Überlegung fest das dieses vorhaben wahrscheinlich in einem Rausschmiss für mich aus der Bahn oder der Zerstörung des kompletten Weltbildes des Schaffners endet. Vielleicht trügt mich ja auch meine Menschenkenntnis und der Versuch wäre geglückt, aber in dem Augenblick entschied ich mich dafür den Schaffner unbehelligt seinen Job machen zu lassen und ihm dann seinen Abend mit einem Bier vor dem Fernseher, an dem er von der „High Society“ und Persil Gehirngewaschen wird, zu gönnen.

Nachdem wir uns mit einem Tschüß und gespielten Mitgefühl für die Lage des jeweils anderen verabschiedet hatten, setzte ich mich in meinen Sitz und schaute in die vorbeirasende Landschaft. Während ich so rumstarre kommen mir Gedanken. Wird mir nicht immer gesagt es sei umweltfreundlicher mit öffentlichen Verkehrmitteln zu fahren? Naja, aber irgendwie kein Wunder das so viele Leute mit ihren dicken Autos fahren, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel so teuer und inkompetent sind. Außerdem können die Leute beim Autofahren ihren Aggressionen freien Lauf lassen und ihren scheiß Alltag durch das protzen mit der Karre kompensieren. Und wenn man sich mal die Kohle anguckt, dann sind Tickets ja so teuer das der Schritt nicht mehr weit ist um sich halt nen Auto zu holen, in dem man solchen Schikanen nicht ausgesetzt ist. Das ist doch irgendwie bescheuert, die Straßen sind voll mit stinkenden Rußschleudern! Dieselbe Menge von Menschen könnte doch mit einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz viel effektiver und Umweltschonender transportiert werden, die Straßen wären leerer und das Fahrrad fahren würde auch wieder attraktiver werden, weil man nicht damit rechnen muss von irgend nem Heini im Berufsstress umgeheizt zu werden.

Also eine Lösung wäre ja dann ein öffentliches Verkehrssystem was den Nutzer nix kostet (oder halt sehr wenig). Wie könnte man so ein System den aufbauen? Ein Kostenspaarpunkt fällt mir direkt ein: Die ganze Ticketkauferei würde ja unnötig werden. D.h. die teuren Automaten und die unfreundlichen Verkäufer fallen schon mal weg. Mit ihnen fällt dann auch das Personal welches die Karten kontrolliert, die Menschen die sich die Preise ausdenken, die Absperrungen in den U-Bahnen weg. Ich schaue aus dem Fenster und eine Weide mit Kühen zieht an mir vorbei.

Der restliche Kostenaufwand könnte ja von dem Bürger bezahlt werden. Das muss ja nicht unbedingt Mehrkosten bedeuten! Z.B. konnten ja die Subventionen auf Fleischproduktion abgebaut werden. Die EU Subventioniert diesen Irrsinn mit 2,5 Mrd. Euro! Da ist nur die Unterscheidung schwierig, weil nach der Subventionsstreichung für die Rinder würden die Preise für Fleisch ja stark steigen. Essen die Leute dann weniger oder nur das Massentierhaltungszeug? Auf lange Sicht ist diese Art des Fleischkonsums ja sowieso nicht tragbar. 90% der Nahrung die man in ein Rindvieh stopft werden ja nicht in Biomasse umgesetzt sondern landen als Furz in der Atmosphäre. Also eine Umwälzung der Subvention hätte die direkte Folge das Leute weniger Auto fahren und weniger Kühe zum pupsen da sind was ja dann auch weniger Methan in der Atmosphäre bedeutet, also doppelt gemoppelt gut für die Umwelt! Und dann muss man mal an das ganze Zeug denken was man da so in das Vieh drückt (!) das können ja jetzt andere essen! Für alle ist dann mehr Futter da. 1/3 des derzeit Weltweit produzierten Getreides endet in Viehmägen, könnte man damit nicht die hungernde Bevölkerung ernähren? Bzw. könnte sie sich dann nicht selbst ernähren, weil die Bonzen da nix mehr dran verdienen das sie das Futter in die reichen Länder exportieren? (Hallo Südamerika und Afrika). Also für jedes subventionierte kg Rindfleisch das ich esse könnten 10 andere Menschen einen Kilo Getreide oder Soja essen. Also die Subventionen von Fleisch auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu legen ist eine super Idee.

So, und wenn sich der ganze Apperat dann immer noch nicht rechnet… ähm… achja der Mehdorn! Wieviel verdient der Wurzelzwerg noch mal? Hopp gleich feuern den Arsch und die ganzen Bonzen da oben mit! Wenn wir die spitze abhacken können wir doch eigentlich die ganze Hierarchie da drunter auch wegnehmen. Aber wer organisiert dann den Laden?

Ich schaue wieder in die Landschaft und überlege ein Weile.
Wie wäre es denn wenn wir das dezentral machen, direkt an der Basis und die Strukturen ineinander greifen lassen. Es könnte ja demokratisch organisierte Bahnerzusammenschlüsse geben, die dann an der Basis entscheiden wie was gemacht werden soll. Warum sollte man eigentlich nicht alles so organisieren? Basisdemokratisch, antikapitalistisch, föderalistisch, antihierarchisch also kurzum anarchistisch. Als ich grade versuche meine Gedanken weiter zu spinnen bemerke ich das mein Zug bereits in meinen Zielbahnhof einrollt. Ich springe auf, packe meine sieben Sachen und bewege mich in Richtung Tür. Ich denke bei mir: „Die sind jetzt bestimmt glücklich das der Psycho der da so rumgebrüllt hat und danach die ganze Fahrt über (3 Stunden) das Fenster angestarrt hat weg ist.“ In Wirklichkeit bin ich glaube ich aber unter den Bildzeitungen und Gameboys schon während der Fahrt als eine gelegentliche Anomalie abgestempelt, archiviert und vergessen worden.

Ich steige aus. Als ich den Zug verlasse und das Bahngleis betrete verschwinden die Gedanken an das Abschaffen unserer bekloppten Wirtschaftsweise und des Staates, sie machen dem Wunsch nach etwas zu essen und dem Bewusstsein morgen arbeiten gehen zu müssen Platz. Ab und zu finde ich jedoch Zeit zum Nachdenken und irgendwann auch bestimmt mal zum Handeln, so das mein Traum eventuell auch irgendwann mal Realität werden kann.

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