Husuma

7. August 2008

Berlin: Widerstandsprozess eingestellt


Ein Strafverfahren wegen „Beleidigung“ und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ vor dem Amtsgericht Tiergarten wurde am Mittwoch erstaunlicherweise ohne Auflagen eingestellt. Im Dezember 2007 war es während des Jugendumweltkongresses in Weißensee zu einem Gerangel mit der Polizei gekommen, die damals inzwischen unter verschiedenen Vorwänden das benutzte Schulgebäude wahrscheinlich widerrechtlich betreten hatte. Im Zuge dessen soll der Angeklagte die Beamten als „Prügler“ und „Gewalttäter“ bezeichnet haben.

Gewalttäter ist eine Tatschenbehauptung
„Selbst wenn diese Äußerungen gefallen sein sollten“, freut sich der Angeklagte, „ möchte ich mal wissen, wie die Polizei, die laut Gesetz das Gewaltmonopol innehat, aufgrund dieser Tatsachenfeststellungen beleidigt werden kann.“
Der verfahrensrechtlich sehr gut vorbereitete Angeklagte konnte sich am Mittwoch ohne VerteidigerIn und trotz der einschlägigen Vorwürfe vor Gericht behaupten. „Diese Vorwürfe werden regelmäßig von PolizistInnen erhobenen, wenn sie eine eigene Rechtsübertretung verschleiern wollen“, sagte der Angeklagte H. „Und in den allermeisten Fällen führen sie zu einer Verurteilung der Angeklagten“.

Offensive Prozessführung erfolgreich

Nicht zuletzt eine offensive Prozessführung des Angeklagten führte zu einem anders lautenden Spruch: Er machte an allen Stellen den hierarchischen Aufbau eines Gerichtsprozesses deutlich, der nicht auf Klärung von Sachverhalten, sondern auf Schuldzuschreibungen ausgerichtet ist, und wies daraufhin, dass Polizeiaussagen vor Gericht in der Regel mehr Glauben geschenkt wird, als denen der Angeklagten. So wurde die anwesende Öffentlichkeit, die während der Verhandlung Verfahrensfehler bemängelte, immer wieder zurechtgewiesen, zwei aus dem Saal befördert und Einem sogar ein Ordungsgeld von 100 € auferlegt. Außerdem wurde der Unwillen des Gerichts gegenüber den Ausführungen des Angeklagten deutlich, der auf seinen prozessualen Rechten bestand, weshalb er im Verlaufe des Prozesses Befangenheitsanträge gegen Richter, Staatsanwalt und die Protokollantin stellte (natürlich allesamt abschlägig beschieden).

Rechtswidriger Angriff auf Journalisten

Doch „zum Glück“ konnte sich der einzige anwesende Polizeizeuge (der zweite hatte sich krank gemeldet, wurde von seinem Kollegen allerdings im Urlaub vermutet) nicht einmal nach der Verlesung seines damals angefertigten Berichtes an Einzelheiten der Begebenheit erinnern. Z.B. wusste er nicht mehr, dass er während der Maßnahmen einen Fotografen aus dem Gebäude befördert hatte, der den Vorgang festhalten wollte, ohne sich nach dessen Zulassung als Journalist zu erkundigen. Der Polizist gab wörtlich an, dass er „in diesem Fall“ wohl „ohne Rechtsgrundlage gehandelt“ habe. Im Gerichtsprotokoll liest sich das dank einer Umformulierung des Richters als bloße Gedächtnislücke des Zeugen. Ein gutes Beispiel für „richterliche Wahrheitsfindung“, nachdem der Vorsitzende schon eine Pflichtverteidigung für den Angeklagten abgelehnt hatte, und vier Tage Vorbereitungszeit für ausreichend befand.

Am Ende Einstellung

Aus der anberaumten Verhandlungsdauer von einer halben Stunde wurden letztlich auch aufgrund konsequenter Intervention gegen die einseitige Prozesslenkung des Richters dreieinhalb. Wahrscheinlich aus diesem Grunde und weil für ein Urteil die Anhörung weiterer Zeugen an einem weiteren Termin nötig geworden wäre, schlug der Richter schließlich die Einstellung vor.

Spende für Ordnungsgeld

Wer noch ein bisschen Schotter über hat kann das gerne für die 100 Euro Ordnungsgeld an den Solifond spenden:
Stichwort Widerstand BLZ:217 500 00 Kontonr. 111 026 274

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