Husuma

1. Januar 2008

Vom Verteilerkasten ins Parlament


Die Erfolgsgeschichte einer Outing-Aktion
“Das bringt eh nix!”- “Das interessiert eh keinen!” Zumindest in Husum ist dies die gängige Erwiderung auf den Vorschlag, einfach mal Politik zu machen, anstatt immer nur abzuwarten bis sich etwas verändert. Dass linksradikale Politik kein AußenseiterInnenthema sein muss, sondern sich sehr wohl breiten Bevölkerungsschichten vermitteln lässt, zeigt z.B. ein Outing in Husum vom vorletzten Dezember und dessen weitere Entwicklung.

Kleiner Zeitsprung: Dezember 2006 – In Husum taucht ein Plakat auf, das Portraitfotos von Kevin Stein, Marc Tenten u.a. zeigt. Das ohne Verantwortliche produzierte Plakat bezeichnete die abgebildeten Personen als “Nazis” und unterstellt eine Zugehörigkeit zur “Kameradschaft NF”. Zusätzlich ist diese Abbildungsserie auch an mehrere Stadtverordnete, Pastoren und JournalistInnen verschickt und bei Nachbarn der Abgebildeten eingeworfen worden.
(wer s mal sehen will: https://husuma.punk-am-ring.de/index.php?print=&aktion=eintrag_anzeigen&menue_id=40&eintrag_id=122 )

Da das “Outing” handwerklich “suboptimal” war, und z.B. anstatt emanzipatorische Positionen zu benennen, mit platten Slogans wie “Most stupid Nazi in Town” agierte, positionierten sich die führenden Köpfe der “Antifa NF” gegen diese Aktionen. Ein Grund dazu mögen auch Kontrollverlustängste gewesen sein, denn aufgrund von Repressionsangst (siehe mehr unter https://husuma.punk-am-ring.de/index.php?aktion=eintrag_anzeigen&print=&menue_id=19&eintrag_id=25 ) hatte das von wenigen “Checkern” dominierte Plenum ein “Aktionsverbot” beschlossen, und verlangte von allen Menschen eine Befolgung dieser Entscheidung (mehr zu herrschafsförmigen Plenumsentscheidungen).

Bei den einfachen Mitgliedern wurde die Aktion jedoch weitgehend ignoriert, da die bekannte Meinung “Das interessiert eh keinen!” vorherrschend war (zudem stellt ein Aktionsverbot durch die “Schafhirten” eine bequeme Rechtfertigung für schafiges Nixtun da (Zitat zum Thema aus einem Web-Forum: „Aktiv um jeden Preis? „Klauen“ wir Bilder! Für die schoneinmal jemand Androhung von Repression bekommen hat. Und ich wage zu behaupten, dass der Ersteller dieser Outing-Plakate davon gewusst hat. Zudem es schonmal ein wenig Wirbel um die Bilder gab. Und die Zweckmäßigkeit der Outing-Kampagne sehe ich nicht. Ich hab das Gefühl, dass niemand wirklich Interesse an den Faschos hat oder hatte.“

Dass diese weitverbreitete Einschätzung jedoch nicht der Realität entspricht, zeigte sich schon wenige Tage später, denn der Kreisverband der Grünen in Nordfriesland lud Aktive der Antifa ein, den Kreisvorstand über die Nazi-Aktivitäten in Nordfriesland zu informieren.

Auch bei der Linkspartei trifft das Outing auf offene Ohren. Thomas Repp, der damalige Kreisvorsitzende der Linken in Nordfriesland richtete eine Resolution an den Kreistag. Er forderte, dass der Kreistag bitte mehr gegen Neofaschismus vorgehen möge und bezieht sich explizit auf das Outing. Dieser Vorgang ist zusätzlich spannend, da der CDU – dominierte Kreistag von 2005-2006 ein Programm zur Förderung der Jugendarbeit gegen Nazis aufgelegt hatte. Unter anderem Nutznießer der damit verbundenen Finanzmittel war die Junge Union Nordfriesland mit einer Strategie, die sich verkürzt als “Gegen Nazis – Für Deutschland!” beschreiben lässt. Diese Vereinnahmung des Politikfeldes “Antifaschismus” durch Nationalisten ist möglich, da niemand dieses Themenfeld in Nordfriesland in der Öffentlichkeit vertritt – auch nicht die Antifa, deren Mitglieder auf diese Vorgänge mit einem sprachlosen Achselzucken reagieren. Image ist alles – Inhalte egal.

Im Mai scheint das Outing längst vergessen, und doch wird die Presse aufmerksam. Eine Journalistin der “Flensborg Avis” recherchiert zum Thema “Nazis im Norden” und findet u.a. einen Bericht über das Husumer Outing. Als Interviewpartnerin steht ihr zum Thema jedoch nur die Geschäftsführerin des sog. soziokulturellen Zenrums Speicher Constanze Koch zur Verfügung. Ihre Kompetenz zum Thema “Nazis” untermauert Frau Koch z.B. durch offene Kooperation mit dem Staatsschutz, wo sie ihr unbequeme Menschen u.a. als “aktive Antifas” denunziert und Prozesse gegen AktivistInnen anstrebt ( https://husuma.punk-am-ring.de/index.php?aktion=eintrag_anzeigen&print=&menue_id=43&eintrag_id=125 ). Ihre Zusammenarbeit mit der Polizei räumt Frau Koch in diesem Interview zum erstem Mal öffentlich ein.
https://www.flensborg-avis.de/index.php?c=v2129898.339

Doch es geht weiter: Am 9. Mai schafft es das Husumer Outing bis in den Landtag Schleswig-Holsteins. In der Aussprache im Parlament über den Verfassungsschutzbericht 2006 bezieht sich die SSW – Abgeordnete Anke Sporendonk auf das Outing. Vermutlich ist es ihr aus dem Artikel in der Flensborg Avis bekannt, denn sie kritisiert ihrer Meinung nach mangelnde Informationen zum Thema im Bericht (Sporendonks Rede: https://www.ltsh.de/presseticker/2007-05/09/11-07-07-4047/ ).

Mag sein, dass bei diesem Beispiel viele sich gegenseitig verstärkende Zufälle zusammen fallen, und diese so in dieser Zusammensetzung als nicht wiederholbar erscheinen. Doch lässt sich zumindest in der Tendenz nachweisen, dass der Gedankengang: “Linksradikale Politik interessiert eh keinen!” schlicht und einfach falsch ist. Schon mit relativ kleinen Aktionen lässt sich durchaus Öffentlichkeit schaffen. Nur: Solange viele Linksradikale sich überhaupt nicht für Veränderungen in der Öffentlichkeit interessieren, sondern eher Repressionsparanoia und Kontrollverlustängste vor sich her schieben, wenn sich doch wer für ihre Themen interessiert, dann wird sich auch nichts ändern.

PS: Wer sich über die unsolidarische Verfasstheit der Husumer “Szene” ein eigenes Bild machen möchte, dem seien die Kommentare unter einem Indymedia – Artikel zur Bedrohung eines Antifas am 25.12. durch Nazis empfohlen…
https://de.indymedia.org/2007/12/203567.shtml?c=on#comments2

Und: Im Jahr 2007 ist die Intensität von öffentlichen Auftritten der Husumer Nazis trotz Teilnahme an der Landratswahl ( https://husuma.punk-am-ring.de/index.php?aktion=eintrag_anzeigen&print=&menue_id=59&eintrag_id=170 ), Steilvorlagen der Staatsanwaltschaft ( https://husuma.punk-am-ring.de/index.php?aktion=eintrag_anzeigen&print=&menue_id=59&eintrag_id=170 ) und sozialrassistischer Stadtpolitik ( https://husuma.punk-am-ring.de/index.php?aktion=eintrag_anzeigen&print=&menue_id=60&eintrag_id=171 ) deutlich zurückgegangen…

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. TrackBack URL

Leave a comment