Husuma

2. Dezember 2007

Moritz verweigert

Sie kriegen ihn nicht!
Seit dem 1.10.07 unterliegt der Kriegsdienstverweigerer Moritz aus Neumünster der direkten Militärverwaltung. Er verweigert die Zusammenarbeit mit dem Militärapparat. Seine Festnahme durch Feldjäger oder Polizei war jederzeit möglich.
(Flugblatt der Soligruppe m_in_b_arrest@gmx.de)

Zur Position von Moritz, gibt es kaum offene Fragen.
So beginnt ein Leben als totaler Kriegsdienstverweigerer in Deutschland.
Es gibt keine Flucht oder ein Versteckspiel vor den Häschern der Armee, egal ob sie in Feldjäger- oder Polizeiuniform auftauchen. Am 14.10.07 haben sie ihn nun aus seinem Alltag herraus verhaftet und durch Feldjäger nach Strausberg verfrachtet. Moritz muss nun einen begrenzten Zeitraum im Bundeswehrarrest verbringen, bis die Armee ihre Möglichkeiten der Abschreckung (mehrmaliger, jeweils bis zu 21 Tage dauernder Arrest) verbraucht hat und der „Fall“ den zivilen Staatsanwaltschaften übergeben wird.

So beginnt ein Leben als totaler Kriegsdienstverweigerer in Deutschland.
Die Entscheidung für eine totale Kriegsdienstverweigerung ist niemals einfach oder eben mal so gefallen. Immer galten die Männer, die sich für diesen Weg des Antimilitarismus entschieden als besonders verwerflich, als religiöse Spinner oder als Leute, die fern von der Realität agieren. Traditionell sind sie Vaterlandsverräter, die die Verachtung und das Unverständnis der bürgerlichen Gesellschaft zuspüren bekommen.

In den 50iger und 60iger Jahren wurden in Westdeutschland schon Antimilitaristen, die ihr neu erschaffenes Recht auf Zwangsdienst ohne Waffe einforderten, vom reaktionären Mob geradezu körperlich spürbar gehasst. Um klarzustellen, wie man im postfaschistischen Deutschland mit totalen Kriegsdienstverweigerern und Fahnenflüchtigen umzugehen gedenkt, wenn man nur könnte, würden die NS- Todesurteile gegen Deserteure und andere „Drückeberger“ offen als legales Recht bezeichnet.

Die seit 1989 nicht mehr zu den historisch Lebenden zu zählende DDR kam zur selben Zeit auf die grandiose Idee, Spatensoldaten als legale Form des Antimilitarismus zu verkaufen. Wer da nicht reinpasste oder reinpassen wollte, unterlag dem hässlichen Gesinnungs- und Kriminalisierungsterror des „mobilen Sozialismus“. Harte Zeiten für all diejenigen, die aus der militärischen Hierarchie herrausbrachen und sich nicht unterwarfen. Wenn es auch kaum etwas zu vergleichen gab zwischen der BRD und dem „realen“ Sozialismus, in der Kriminalisierung oder Psychatrisierung totaler Kreigsdienstverweigerer waren sie sich einig.

Die Ableistung des Zivildienstes verliert als antmilitaristische Handlung seine Unschuld.
Die meisten Kriegsdienstverweigerer des Adenauerdeutschland haben durch mehrmalige Demütigungsversuche hindurch (Prüfungsausschüsse für Gewissensdefinition und Ausgrenzung) für ihr Recht gekämpft, den Staatsdienst ausserhalb der Armee ableisten zu können. Dabei wurde quasi jedem Mann, der nicht zur Armee wollte, eine psychologisierende Gewissensnot aufgedrängt. Wer daran nicht litt oder sich nicht zur bürgerlichen Form des moralischen Dilemmas bekannte, ging entweder gleich zur Armee oder klinkte sich ganz aus bei Strafe der Ausgrenzung aus fast allen sozialen Zusammenhängen und zwangsweise Knast.

Die Sozialdemokratie mit ihrer „mehr Demokratie wagen“ Parole veränderte den Charakter des Zivildienstes im Laufe ihrer Regierungsperiode erheblich. Sie machte aus dem Gemeinschaftsdienst für Leute, die nicht ganz dicht oder religiöse Spinner sind einen Zwangsdienst zum Wohle des Kranken,-Sozial,-und Kulturwesens. Die Ableistung des Zivildienstes verliert als antmilitaristische Handlung seine Unschuld. Die Zivis sind in der bürgerlichen Gesellschaft angekommen. Man musste sich nicht mehr zum Affen machen, konnte seinen schon immer vernachlässigten karitativen Neigungen nachgehen. Ein Gewissen zu haben war praktisch und wer es formulieren konnte, kam durch. Die Zahl der Verweigerungen vermehrte sich drastisch. Tausende von sozialen Einrichtungen verlängern den Zwangsdienst in die Sozialarbeit hinein, aus der heraus sich das Militär im Kriegsfall der Zivis bedienen kann.

So leicht es aber war, sich dem Kriegsdienst mit der Waffe zu entziehen, so schwer war es, sich dem Zwangsdienst als Ganzes zu widersetzen. 1000de von Männern haben sich dieser Entscheidung entzogen, indem sie sich in die bundeswehrfreie Zone nach Berlin (entmilitarisierter Status) flüchteten.

Ab 1989 liegt die Generalmobilmachung als Modell kriegerischer Auseinandersetzungen brach. Die Bundesrepublik bereitet sich unmittelbar nach Erweiterung ihres staatlichen Territoriums akribisch auf die militärische Durchdringung ihres aussenpolitischen Machtbereichs vor. Aus Herrschaftssicht ist der Zivildienst jetzt hauptsächlich ein Instrument, das pazifistisches oder gar antimilitaristisches Gedankengut von den immer dichter an die realen Kriegsschauplätze herranrückenden Wehrpflichtigen fernhält . Es ist ein Angebot an latente Kriegsgegner, sich aus der Sache herrauszuhalten. Durch die Professionalisierung der Kriegsmaschine verliert der Zwangsdienst in der Armee zunehmend seine militärische Bedeutung. Nur Freiwillige werden in die reale Kriegsgebiete geschickt, der Rest organisiert die Versorgungsgrundlagen in der Infrastruktur. Die werdende Berufsarmee entledigt sich Stück für Stück aller Probleme, die das Konzept der Generalmobilmachung gegen die Sowjetunion hinterlassen hat. Jede Bundeswehreinheit, die von der Abhängigkeit von Zwangsrekrutierten befreit ist, wird als kriegstauglich an die Fronten der militärisch abgesteckten Interessensspähren entlassen.

Jeder totale Kriegsdienstverweigerer stand zu jeder Zeit vor existentiellen Fragen. Die Entscheidung spricht immer für sich, weil allen Drohungen, Ausweichmöglichkeiten und Apellen an die Vernunft zum Trotz der staatliche Anspruch auf seine Person verweigert wird. Hinter den Sachzwängen der kapitalistischen Gesellschaft tauchen Menschen auf, die ihr „Recht“ auf die eigene Person einfordern. Quer zum allgemeinen Verhalten gegenüber dem Militär bezahlen sie einen hohen persönlichen Preis für ihre Verweigerung. Deshalb sind es immer wenige. Sie haben viel zu erzählen über die Entscheidung, Zwangsdienste und männerbündische Hierarchien als „feindlichen Angriff“ auf die eigenen Lebensvorstellungen und Planungen zu verweigern.

Moritz trifft seine Entscheidung in einer Zeit, in der immer deutlicher wird, wie weit sich die „Rot- Grüne“ Regierung 1998 mit ihrer Strategie der “ moralischen Kriegführung“ aus dem Fenster gehängt hat. Mit dem Jahr 1989 wurde die Bundeswehr offiziell wieder zum aussenpolitischen Akteur erklärt. Deutsche Interessen werden seit dem in organisierter Eskalation mit militärischer Gewalt durchgesetzt. Die „Rot“-Grüne Regierung hat „auftragsgemäss“ die Hürde zum Angriffskrieg übersprungen, als das Kosovo mit militärischer Gewalt abgetrennt und der „serbische“ Rest bombardiert und unterworfen wurde. Als allgemeine Erfahrung lässt sich seit dem sagen: Wenn in Deutschland und der dazugehöhrigen Natowelt über irgend eine Region der Welt von „Nation Building“ und „temporary Governance“ gesprochen wird: Sofort flüchten! Nach dem militärisch sicheren Sieg der Nato Hightechtruppen bleibt mit grosser Warscheinlichkeit kein Stein auf den anderen. Im besten Fall wie in Teilen Jugoslawiens, entwickelt sich aus dem Trümmern der völkisch-rassistischen „Bürgerkriege“ eine verarmende Arbeitsgesellschaft mit innerstädtischer Vorzeigeborgeosie ( Bedingung: Tourristische Vorzeigeregion zur „Fremdkapitalbeschaffung“) Im schlechtesten Fall besteht das Leben der Betroffenen aus dem Warten auf dem nächsten Lebensmittelkonvoi der UNO. Es bleiben hundertausende zerstörter Lebensentwürfe ohne die ökonomischer Grundlage für einem Neuanfang.

Aus Herrschaftssicht ist der Zivildienst jetzt hauptsächlich ein Instrument, das pazifistisches oder gar antimilitaristisches Gedankengut von den immer dichter an die realen Kriegsschauplätze herranrückenden Wehrpflichtigen fernhält .

Auf der politischen Ebene als Kollateralschaden abgetan, ist die Zerstörung ökonomisch wichtiger Strukturen die perfide, aktuell gültige Form der militärischen Unterwerfung. Allerdings stecken die Militärmaschinen des Weltmarktes im Sumpf ihrer eigenen Zerstörungswut fest. Afghanistan, Tschetschenien und der Irak zerfallen in clangesteuerte Kriegsgebiete zurück, in den sich die Bandenführer entweder gegenseitig abschlachten oder mehr oder minder zusammen die neue, Menschenleben verachtende, hoch korrupte Borgeosie stellen. Der Grad der Zivilisierung ( Vertragsfähigkeit) der neureichen gesellschaftlichen Elite misst sich an der Anzahl der Weltmarkfirmen, die sich mit ihnen einlassen. Wenn das „Renditepotential“ der Region aus spezifischen regionalen Gründen ( keine Strassen, „zu faule Menschen“ oder zu viele Selbstmordattentäter) nicht abrufbar ist, zerfällt der Prozess des Nationbuilding in eine mehr oder minder haltlose Armutsspirale. Afghanistan, Tschetschenien und der Irak sind die Grossfriedhöfe der „Demokratie durch Krieg“ Kampagne, die Deutschland mit seiner „Krieg wegen Ausschwitz“ Propaganda federführend mitentwickelt hat.

Die weltweite Verelendungspolitik schafft neben unzähligen Toten auch den Hass des Elends.
Die Nato- US- Russischen Besatzungskriege haben unkontrollierbare männerbündische Guerillaarmeen geschaffen, die das Leben in den entsprechenden Gegenden zur wahren Hölle machen. Ihre Toteskommandos dringen bis in die Zentren der kriegführenden Staaten vor und sorgen für den nächsten Militarisierungschub in der Innenpolitik, Schäuble und die Taliban sind feindliche Brüder.

Afghanistan, Tschetschenien und der Irak sind die Grossfriedhöfe der „Demokratie durch Krieg“ Kampagne, die Deutschland mit seiner „Krieg wegen Ausschwitz“ Propaganda federführend mitentwickelt hat.

Sosehr sich die Methoden der Gewalt von hochindustrialiserter Kapitalmetropole und deindustrialsierter Elendsregion unterscheiden, so sehr sind beide an einer bewaffneten Kontrolle gesellschaftlicher Widersprüche interessiert. Für Jede Tote in Afghanistan wird eine neue Überwachungskamera im öffentlichen Raum mehrer Natostädte installiert, weil „sie“ die innere Sicherheit „instabiler macht“. Die weiterhin wuchernde Überwachungsindustrie lässt darauf schliessen, das weitere unzählige Tote geplant sind. Im gleichen Prozess werden wir in Feinde, Gegner, Kriminelle, Störfaktoren, beobachtungsbedürftig oder in Bürger eingeteilt und digital erfasst. Die Kategorie Bürger wird erteilt für alle, die unter dem Motto „Ich hab nichts zu verbergen“ ihr Leben digital zur Verfügung stellen, zum Beweis der absoluten Unschuld für was auch immer. Die Militarisierung der „globalen Bezeihungen“ zieht Kreise bis in das engste Lebensumfeld einer Jeden und eines Jeden hinein. Der persönliche Unterschied liegt nicht in den Tatsachen der Überwachung und Kontrolle selber, sondern in der Frage, wie weit Mensch sich von ihr beeindrucken lässt.
„Moritz hat uns durch seine Entscheidung und sein konsequentes Handeln nicht nur zur praktischen Unterstützung aufgefordert sondern auch zu einer Stellungnahme zu seinem Weg.“

Wir finden die Entscheidung von Moritz richtig.
Wir müssen der Militarisierung unseres Lebensumfeldes etwas entgegensetzen. Die persönliche Verweigerung ist als Bekenntnis zu einem antimilitaristischen Weltbild eine entscheidende Möglichkeit, sich vom bewaffneten Kapitalismus abzugrenzen. Wir als Freunde, GenossInnen und MitbewohnerInnen schliessen uns seiner Abgrenzung an. Die für den mörderischen Zustand in grossen Teilen der Welt verantwortlichen Männerhorden, seien es Armeen, Industriekonglomerate oder Regierungen haben kein Recht, uns als „Humankapital“ zu verplanen. Nicht als Kanonenfutter, nicht als Arbeits-und Dienstleistungsmaschinen und nicht als KonsumentInnen, denen man den Kaufzwang tagtäglich mit zunehmender Penetranz aufnötigt.

Leben im Sinne von Spass, Kommunikation, sozialen Kontakten in einer Umgebung, in der Mensch sicher davor ist, angeschissen zu werden findet in ihrer Welt nur unter ihrer Kontrolle einen Platz, also gar nicht! Wir halten es deshalb lieber mit Moritz, sich Räume zu erhalten und zu erkämpfen, in denen Kontrolle nicht nötig (möglich?) ist und gegenseitige Solidarität der Inhalt der eigenen Beziehungen wird.

Moritz im Bundeswehrknast bedeutet für uns und wir hoffen für viele Andere auch, so viel Kontakt wie möglich von aussen in die Zelle dringen zu lassen. Helft uns, bekannt zu machen, das ein „Antimilitarist“ im Knast sitzt. Vielleicht unterhaltet ihr euch anhand unseres Flugblattes über Krieg und Militarismus. Aber am wichtigsten: Lasst uns die Einsamheit, die Moritz in seiner Zelle erlebt, in eine einzige Solidaritätsbekundung verwandeln. Jede Postkarte und jeder Brief erhöht den Sinn seiner Verweigerung. Zeigt ihm, das seine Arrestzeit wahrgenommen wird.

Die UnterstützerInnengruppe

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