Husuma

15. November 2007

Makitu-UnterstützerInnenkreis gewinnt Preis


Der diesjährige Preis für besonderes Engagement des Flüchtlingsrats Schleswig-Holsteins „Leuchturm des Nordens“ geht an den „UnterstützerInnenkreis der Familie Makitu“. Urte Andresen, die bei der Preisverleihung am Freitag in Rendsburg den Preis entgegen nahm, hofft, „dass wir uns immer wieder anstecken lassen von der Empörung Einzelner oder selber mit unserer Empörung Andere mitziehen.“ Dabei hat es lange gedauert, bis sich viele Personen des Unterstützungskreis mitziehen ließen. Zudem hat gerade der UnterstützerInnenkreis einen Betrag an der mainstreamkonformen Abwicklung des Protestes geleistet.

Kritik an Parteien und Kirchen
So heisst es in der Festrede von Urte Andresen: „Vertreten waren neben den Kirchen und den politischen Parteien…“. Und „Vertretung“ ist genau der richtige Ausdruck für die betrieben Politik. Als VertreterInnen der Kirchen und Parteien am Anfang der Kampagne auf eine eventuelle Unterstützung angesprochen wurden, lehnten dies die VertreterInnen dieser Organisationen ausnahmslos ab. Erst als es den Jugendlichen aus dem Umfeld der Speicher-Jugendgruppe gelang, durch z.B offensive Transpi-Aktionen an öffendlichen Gebäuden über 300 Menschen auf eine Demonstration zu mobilisieren, interessierten sich die Etablierten für das Geschehen. Sie interessierten sich also genau ab dem Moment für das Geschehen, als es einer selbstorganiserten tendeziell „unkontrollierten“ Bewegung gelang, breite Massen anzusprechen. Genau ab diesem Moment traten die selbsternannten „Volks/InteressensvertreterInnen“ an, um die Proteste zu „vertreten“, zu integrieren, zu kanalisieren und zu kontrollieren.

Übernahme der Deutungshoheit
Aber damit z.B. StellvertrerInnen akzeptiert werden, müssen diese erst einmal Kontrolle über das Geschehen erlangen. Der einfachste Weg dazu ist die „Abwicklung“ von Protesten. Dies gelang durch den sog. „Bürgerspaziergang“. Aus Sicht des UnterstützerInnen seien Demos ja zu radikal und würden UnterstützerInnen abschrecken, deshalb solle er nur noch einen sog. Bürgerspaziergang geben. Aus der Sicht der „VertreterInnen“ wurde dieser ein voller Erfolg: Es beteiligten sich nur noch knapp 50 Personen an diesem Trauerspiel. Doch weitere „Aktionen“ folgten: Im Auftrag der Stellvertretis verausgabten die beteiligten Jugendlichen sich nun im Unterschriften sammeln. Die spektakulären Aktionen waren gestoppt, die Proteste wieder in die Nomalität integriert. Urte Andresen, Kerstin Mock-Hofeditz und Michael Jordan waren die „Bewegung“ als sie am 30. Juni 2006 im Kreistag den Landrat mit Nachfragen zum Thema störten.

Eine Abschiebung verhindert, aber grundsätzlichen Widerstand plattgemacht
Das Egebnis dieser Niederschlagung von Protesten gegen Abschiebungen durch Integration fast Urte Andresen in ihrer Rede selber zusammen: „Man ist versucht, unsere Bemühungen als Erfolgsgeschichte zu handeln, so wie der Kreis NF es dann auch nach der endgültigen Anerkennung durch den Innenminister in der Öffentlichkeit darstellte (….) Aber: Wir können nicht vergessen, wie vielen Familien wir nicht helfen können.“

Keine Strategie
Fairerweise muss mensch aber wohl sagen, dass es zwar tragisch ist, dass sich die Husumer Gutmenschen erst für die Makitus engagierten, als über 300 WählerInnenstimmen in der Waagschale lagen, aber dass die Jugendgruppe strategisch schlecht aufgestellt war. Sie verausgabten ihre Kräfte völlig, da sich keine Mühe gegeben wurde, eine Strategie aufzustellen, wie sich nachhaltig für die Makitus engagiert werden könne. Zum anderen war die Jugendgruppe gerade zu dieser Zeit krasser Repression ausgesetzt und am Wochenende zwischen der ersten Demo und „Bürgerspaziergang“ wurden zentrale Figuren Opfer eines ihrer Meinung nach gezielten und brutalen Polizeiübergriffs , der u.a. den Sinn hatte, die politisch Engagierten unter ihnen einzuschüchtern.

Für die Makitus war der Ablauf die Beste machbare Lösung. Aber ein Grund zum Feiern ist dies nicht. Eher zum Weinen.

Explixite Kritik an der Rede von Urte Andresen
RedenLeuchtturm2007
Die Rede ist über weite Strecken erstaunlich gut. Die Landesregierung wird für ihre unmenschliche „Zusammenkegungspolitik“ kritisiert, die Integration und soziale Bindungen zu Deutschen (und damit erfolgreiche Proteste) unmöglich macht. Auch die böswilligen nordfriesischen Abschiebeschergen bekommen ihr Fett weg. Und wie zu erwarten wird der reale Ablauf der Beteiligung der Etablierten verzerrt dargestellt.

Volk=gut?
Im letzten Absatz begiebt sich die versammelte Gutmenschlichkeit noch einmal in traurige Tiefen: „Heute ist der 9. November, ein geschichtsträchtiges Datum. Schlimmste Diktatur steht neben der Kraft eines Volkes, dass Mauern einstürzen ließ. Beide Ereignisse lassen sich nicht voneinander trennen und aus beiden kann man lernen, dass man nie aufhören darf sich gemeinsam mit anderen gegen Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit zu wehren.“

Wie so ein Statement zustande kommt, bleibt unerklärlich. Historisch wird es der Bedeutung des 9.Novombers nicht gerecht, da dessen Bedeutung mit dem Beginn der Studi-Proteste, der Revolution 1918 und anderen weit über die platte Reduzierung auf Progrom und Mauerfall hinausgeht. Die Gleichsetzung von Holocaust und DDR-Unrecht wird zudem keinem der Opfer noch der historischen und politischen Begebenheiten gerecht. Diese Gleichsetzung zeugt vielmehr von einer total unreflektierten Demokratie-Verherrlichung. Kein Wunder, dass das Schicksal der Makitus und der menschenverachtende Beat in der nordfriesischen Ausländerbehörde als „tragische inhumane Ausnahme“ akzeptiert und nicht als logische Folge eines demokratischen Regimes mit Polizei, Regierung, markförmiger Wirtschaft und Grenzen bekämpft wird. Und das Fabulieren von der „Kraft eines Volkes“ ist sowohl anschlussfähig an rechte Vorstellungen, als auch an linke Kollektivvergötterungen. Denn in Vorstellungen, wo „Völker“, „Volkszorn“, „Wille des Volkes“ und „Im Namen des Volkes“ grassieren, bleibt kein Platz für das Individuum. Wer die willkürliche Konstruktion von fiktiven Kollektiven wie „Völker“ nicht kritisieren will, soll von Ungerechtigkeiten schweigen!

Quasireligiöser Demokratie-Fetischismus
In der Rede findet sich noch ein weiterer Beleg für unkritischen Demokratie-Fetischismus: „Auch unser Grundgesetz ist in diesem Sinne u.a. aus der Erfahrung des 9. Novembers 1938 entstanden. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass es im Sinne der Menschen ausgelegt und genutzt wird.” Bei vielen deutschen Linken ist das Grundgesetz per se etwas Gutes, dessen Nutzen offensichtlich nicht weiter belegt oder nachgewiesen werden muss. Das auch das Grundgesetz von Menschen gemacht wurde, wird verdrängt. Noch mehr wird verdrängt, dass die Menschen, die es entwarfen handfeste Interessen hatten.

Grundgesetz etwas Gutes?
Noch fataler wird die unkritische Übernahme des Grundgesetz mit dem Hinweis auf dessen Auslegung. Das bis heute gültige Standartwerk dazu wurde vom Staatsrechtler Theodor Maunz verfasst. Maunz hat durchaus eine persönliche Erfahrungen mit dem Holocaus gemacht. Während des Nationalsozialismus war er Professor für Öffendliches Recht in Freiburg. Er entwickelte sich zum führenden Vertreter des faschistischen Verwaltungs-und Polizeirecht.

Zitate gefällig?
„…dass das neue Staatsdenken mit einem solchem Anspruch auftritt, dass es nicht sagt, das jeweilige Staatsdenken sei für die Ermessungsentscheidung massgebend, sondern nur das nationalsozialistische Staatsdenken“ (Theodor Maunz, Neue Grundlagen des Verwaltungsrechts, Hamburg 1934). „Nicht der Staat setzt die Gesamtheit des Rechtes, sondern die völkische Lebensordnung wächst aus Blut und Boden hervor“. Der ehemalige Militärrichter Filbinger (später MP von BaWü und Wähler von Horst Köhler), der u.a. noch nach der Kapitulation Deserteure ermorden lies, bezog sich mit den Worten: „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!“ auf Maunz Schriften.

Maunz Kommentar zum Grundgesetz (Maunz-Dürrig-Herzog-Scholz) ist bis heute Standardwerk, und wird für viele richterliche Entscheidungen zu Rate gezogen. Das Maunz seine autoritären Thesen u.a. für Gerhard Freys Nationalzeitung schrieb, störte u.a. den späteren Bundespräsidenten Herzog wenig: „Das Entscheidene ist für mich nicht der Inhalt, sondern der Erscheinungsort“.

Mit diesem Wissen über die Zusammenhänge und Grundlagen bei „Demokratie“ und „Grundgesetz“ scheint ein emanzipatorischer Rückgriff hierauf unmöglich. Aber wer nicht genau nachfragt, weil es die eigene Karriere, Posten, Etabliertheit etc. bedrohen würde….der bleibt weiterhin aufrechter Demokrat???

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. TrackBack URL

Leave a comment