Husuma

14. Juni 2004

Mehr Mitbestimmung durch EU?

Es darf gewählt werden; neben Landtagswahlen ist mittlerweile ein neues Stimmfanggebiet erschlossen worden: Europa. Unter Führung von Deutschland, Frankreich und England soll eine neue Weltmacht geschaffen werden; mit allem, was eine moderne Herrschaftsstruktur braucht: Eine EU-Armee, Angriffskriege, erweiterte Rüstungsexporte, abgeschottete Grenzen, Sozialabbau und Europa-Patriotismus gehören zur Grundausstattung. Im Vorschlag zur EU-Verfassung können sogar einzelne Staaten-Zusammenschlüsse im Rahmen der EU für Menschenrechte bomben („strukturierte Zusammenarbeit“).

Ausdehnung von Herrschaft
Im Kern des Projekts geht es um die Ausdehnung von Herrschaft und Verwertung; die Wahl soll den Euro-Schäfchen das Gefühl geben, irgendwie dabei mitbestimmt zu haben. Demokratische Systeme leben davon, dass Unmut immer wieder neu kanalisiert wird. Die tatsächliche Fremdbestimmung wird mit Wahlen, runden Tischen und der Einbindung der „Zivilgesellschaft“ verschleiert.

Militarisierung der EU

Die Militarisierung der EU ist nur ein Teilaspekt des Projekts – aber einer, der überdeutlich zeigt, was hier eigentlich gespielt wird. In der EU-Militärstrategie ist zu lesen: „Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Auch Angriffskriege überall werden darin fest verankert: „Unser herkömmliches Konzept von Selbstverteidigung, dass bis zum Ende des Kalten Krieges galt, ging von der Gefahr einer Invasion aus. Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen.“ Wenn der aktuelle Vorschlag zur EU-Verfassung können einzelne Staaten-Zusammenschlüsse innerhalb der EU sogar „autonom“ für Menschrechte bomben („strukturierte Zusammenarbeit“) … die konkrete Form für die „Kern“-Europaidee, die überaschenderweise vor allem von deutschen und französischen Eliten propagiert wird.

Deutschland hat die Nase vorn
Mit 18.000 SoldatInnen stellt Deutschland das größte Kontingent für die EU-Interventionstruppe. Der Befehlshaber der EU-Armee wird ein deutscher General sein. Und sehr wahrscheinlich wird das „Operation Headquarter“ das Einsatzführungskommando in Potsdam-Geltow werden. Auf der Webseite der Bundeswehr gibt mensch sich wenig Mühe, die Ziele zu verdecken: „Diese Kräfte in Form einer europäischen Eingreiftruppe sollen für gemeinsame Einsätze der EU unabhängig von der NATO zur Verfügung stehen.“

„Linke“ Wahlalternativen?

Wie immer sind auch jede Menge linker Parteien dabei, die auch ein Stück vom Kuchen haben wollen. Was überhaupt daran sinnvoll sein soll, neue staatliche Herrschaftsstrukturen zu schaffen, erklärt niemand. Denn etwas anderes als eine Machtstruktur kann bei dem Projekt EU gar nicht heraus kommen: Konkrete Menschen würden sich nie in Form von Nationen oder einer EU organisieren; das sind immer Projekte der wirtschaftlichen und politischen Eliten, die über die Konstruktion gemeinsamer Interessen und völkischer I dentitäten durchgesetzt werden. Sie wollen einerseits das „Volk“ vertreten, andererseits über die nicht selbst organisierten, im Kollektiv zusammengefaßten Menschen verfügen. Deshalb geht es nicht darum, Europa zu verhindern und am Nationalstaat festzuhalten, sondern für Alternativen jenseits von Staatlichkeit und völkischen Konstrukten zu kämpfen, in der Menschen tatsächlich selbstbesti mmt und kooperativ zusammen leben können. Insbesondere linke Parteien sind aktiv daran beteiligt, dass diese Frage nicht gestellt wird: Sie kanalisieren Widerstand, indem Stimmabgabe als Protest verklärt wird oder zur Wahl des kleineren Haufens Scheiße aufgerufen wird. Sie verengen die Frage darauf, wer die Mega-Nation Europa regieren wird, anstatt die Diskussion dafür zu öffnen, wie eine Welt ohne Grenzen, Armeen, Markt und Staat aussehen könnte und wie wir damit anfangen könnten, erste Ansätze selbstbestimmten Lebens schon heute aufzubauen.

Wahlen bieten Aktionsflächen

Ob Europa- oder Landtagswahl-sie alle werden Werbeshows für Stellvertretung und Kapitalismus sein … mit erheblicher Aufmerksamkeit durch Medien usw. Genau deshalb bieten all diese Wahlen auch Möglichkeiten, mit kreativen Aktionen Gegenbilder zu demokratischer Herrschaft öffentlich zu machen: Vom veränderten Wahlplakat über Jubel-Orgien bei Politikerbesuchen, gefälschter Parteipropaganda bis hin zu Utopiezonen vor Wahllokalen oder verstecktes Theater beim Urnengang … ein bunter, vernetzter Widerstand, der Visionen einer ganz anderen Welt thematisiert, erscheint uns vielversprechender als das Mitmachen beim Wahlquark.

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