Husuma

27. Juli 2003

Die Polizei-Dein Freund und Helfer?


Die Polizei- dein Freund und Helfer. Dieses Klischee wird jedenfalls suggeriert, und von einem Grossteil der Bevölkerung auch kritiklos reflektiert. Wirft mensch allerdings einen Blick auf die amnesty- international Jahresberichte für Deutschland, offenbart sich eine ganz andere Sichtweise.
( Bild: Der ehemalige Frankfurter Polizeichef Daschner, der zu zweifelhaftem Ruhm gelangte, weil er einem Kindesentführer Folter androhte-und diese auch angeordnet hätte.)

Misshandlungen
Laut ai foltern deutsche Polizisten. Der guineische Ibrahim Kourouma wurde am 7. April 1999 am Flughafen Berlin Schönefeld nachdem er sich weigerte, ein Flugzeug zu besteigen, in Gewahrsam genommen und in einen Raum gebracht. Dort musste er sich mit dem Rücken auf einen runden Tisch mit ca. einem Meter Durchmesser legen.

Folter durch Polizisten
Anschließend wurde er mit Händen und Füßen für drei Stunden an den Tisch gekettet und ein Polizeibeamter legte ihm ein nasses T-Shirt auf das Gesicht, sodass er nur mit größter Mühe atmen konnte. Die ganze Prozedur war sehr schmerzhaft, da er mit der unterer Teil des Rückens auf der Tischkante zu liegen gekommen war. Ein Arzt attestierte ihm am 10.4. Verletzungen, die durchaus auf die von ihm geschilderte Weise entstanden sein können (ai.- Jahresbericht Deutschland 2000).

Polizisten misshandeln schwangere Frau
Im Juni 2000 wurde im nordrhein-westfälischen Geldern eine schwangere Frau verhaftet, weil sie sich laut den Berichten weigerte, ein Geschäft für Baby-Sachen zu verlassen. Sie wurde auf den Boden gezwungen, bis ihr Handschellen angelegt worden waren. Um sicherzugehen, das ihr Ungeborenes keine Schäden erlitten habe, verlangte sie eine gynäkologische Untersuchung. Der zuständige Arzt im St. Klemens-Hospital in Geldern weigerte sich jedoch, eine Patientin in Handschellen zu behandeln und die Polizeibeamten behaupteten, aus Sicherheitsgründen die Fesseln nicht endfernen zu können (ai- Jahresbericht Deutschland 2001).

SEK misshandelt und verletzt Unschuldigen
Am 8.12.2000 wurde der 49järige Josef Hoss im nordrhein-westfälischen St. Augustin von Beamten eines Sondereinsatzkommandos aus seinem Auto gezerrt und auch noch mit Fäusten, Knüppeln und Fußtritten misshandelt, als er bereits gefesselt auf dem Boden lag. Er zog sich etliche Verletzungen zu, unter anderem einen zweifachen Rippenbruch sowie Hautabschürfungen und Blutergüsse am Körper, im Gesicht und an den Gliedmaßen (ai- Jahresbericht Deutschland 2002).

Polizist schlagt Mann krankenhausreif
Im Februar 1999 schlugen zwei Polizeibeamte solange mit einer Taschenlampe auf einen 28jährigen ein, das er in einer Klinik behandelt werden musste. Die beiden Beamten wurden vom Landgericht Rottweil zu 9 und 14 Monaten Bewährung verurteilt (ai Jahresbericht Deutschland 2002).

Polizisten überfallen Taxifahrer

In Köln wurden drei Polizisten vom Dienst suspendiert, die in den frühen Morgenstunden des 21. September 2000 einen Taxifahrer tunesischer Herkunft tätlich angegriffen haben sollen. Berichten zufolge wurden die Beamten, die sich zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht im Dienst befanden und alkoholisiert waren, gegenüber dem 48-jährigen Taxifahrer handgreiflich, nachdem dieser es abgelehnt hatte, die drei sowie zwei ihrer Kollegen zu befördern. Der Tunesier wurde nach vorliegenden Meldungen zu Boden gestoßen und wiederholt mit Fußtritten und Schlägen traktiert, unter denen er sich Verletzungen an Kopf und Brustkorb zuzog. Augenzeugen gaben ferner an, einer der Polizisten habe den Taxifahrer in rassistischer Weise beschimpft.

Thüringer Polizei erschießt Unschuldigen

Im Juni 1999 wurde ein Kölner Bürger während seines Urlaubes in Thüringen von Polizeibeamten erschossen. Der 62-jährige Wanderer wurde in seinem Hotelzimmer in Heldringen durch die Tür von 4 Zivilpolizisten erschossen. Ein Hotelangestellter hatte gemeldet, ein gesuchter Mörder sei unter den Gästen. Der Zugriff erfolgte ohne Identitätsüberprüfung und ohne, das die Beamten wussten, wie der Gesuchte überhaupt aussah. Zwei der Beamten wurden vorläufig suspendiert. Das Verfahren wurde jedoch 2000 eingestellt, ohne das die Polizeibeamten belangt worden sind. Ein Gutachten kam zu dem Schluss, dass Polizisten in Stresssituationen mit dem „vegetativen Nervensystem“ denken würden, und die Schüsse sich lösten, da sich in Stresssituationen bei Polizisten die unwillkürlich die Zeigefinger krümmen würden. (ai-Jahresberichte Deutschland 2000, 2001).

Bei Abschiebung von Polizisten erstickt
Im Mai 1999 wurde der 30jährige politisch verfolgte Asylbewerber Aamir Ageeb von Bundesgrenzschutzbeamten bei dem Versuch ihn abzuschieben getötet. Da er sich weigerte, das Flugzeug zu besteigen, wurde er an Händen und Füßen gefesselt und bekam einen Motorradhelm aufgesetzt. Im Flugzeug wurde ihm der Kopf solange von Bundesgrenzschutzbeamten zwischen die Knie gedrückt, bis er aufhörte, sich zu wehren. Als sie ihn nach der Startphase aufrichteten stellten sie seinen Tod fest. Nach ärztlicher Aussage ist Aamir Ageeb durch die ihn zugefügten Misshandlungen erstickt, nachdem ihn durch den Druck auf den Oberkörper drei Rippen gebrochen wurden (ai- Jahresbericht Deutschland 2000, 2002).

Behinderter Migrant von Polizei erschossen
Am 20.9.2000 wurde ein 28jähriger Mann vietnamesischer Abstammung, der in einer Einrichtung für geistig Behinderte lebte und dort am Vormittag vermisst gemeldet wurde, von zwei Polizeibeamten erschossen. Sie feuerten 21 Schüsse auf ihn ab, von denen 8 trafen. Zum Tatzeitpunkt trug er ein Spielzeuggewehr bei sich. Gegen die beiden Beamten wurden weder disziplinar- noch strafrechtliche Schritte eingeleitet (ai- Jahresbericht Deutschland 2001, 2002).

Kölner von Polizisten totgeschlagen
Der Spiegel berichtet in seiner Ausgabe vom 3.6.02, dass auf einer Kölner Polizeiwache ein 31jähriger Mann auch noch aufs heftigste mit Schlägen und Tritten von 6 Beamten misshandelt wurde. Der Mann starb später im Krankenhaus an den Verletzungen, nachdem er 2 Wochen nach einer Reanimation im künstlichen Koma gelegen hatte. Das Verfahren schwebt bislang. Die Beschuldigten sind allerdings bereits aus der Untersuchungshaft entlassen, obwohl laut Staatsanwaltschaft Verdunklungsgefahr besteht. Zumindest auf dieser Wache sind illegale Übergriffe von Polizeibeamten keine Seltenheit. In den letzten drei Jahren gab es dort 37 „Ermittlungsvorgänge“ und einer der Hauptangeklagten bekam bereits 12 Anzeigen. Meistens wegen Körperverletzung. Wegen Beleidigung ist er bereits verurteilt worden. Außerdem wurde er in einem Disziplinarverfahren gerügt. Das dazugehörige Strafverfahren wurde allerdings am 25.2.02 eingestellt. Und trotz all dieser Vorfälle (oder gerade des wegen?) wurde er von seinen Vorgesetzten auch noch im Februar positiv beurteilt.

ai: Nur der Gipfel des Essbergs
Laut ai wird im Jahresbericht nur der „Gipfel“ veröffentlicht, die Liste der Fülle mit Anschuldigen an die Polizei, das es zumeist bei Verhaftungen zu Misshandlungen gekommen sei, ist um einiges länger. Auch werden hauptsächlich MigrantInnen und andere Randgruppen unserer Gesellschaft Opfer von Übergriffen des Polizeiapparates.

Rechtswidrige Massenverhaftungen in Flensburg
Aber auch in unserer Region kommen Übergriffe und Gesetzesübertretungen seitens Polizeibeamter vor. Am 1.1.2002 wurden in Flensburg 40 angeblich „linke Autonome“, wie sie die Presse nannte, verhaftet. Das Recht auf Beistand durch einen Anwalt und das Recht, zwei Telefonate nach der Verhaftung zu führen, wurden ihnen mit der Begründung „Sie haben hier überhaupt keine Rechte!“ von einem diensthabenden Polizisten auf der Wachen verweigert. Die Inhaftierten mussten sich Einzelzellen mit bis zu 4 Personen teilen. Eine Frau wurde außerdem geschlagen. Die Dauer der Gewahrsamnahme dauerte deutlich über 24 Stunden, und das obwohl Menschen, die in Schleswig- Holstein in Gewahrsam genommen werden, nach 24 Stunden entweder freizulassen sind, oder einem Haftrichter vorgeführt werden müssten. Im Anschluss wurden dann am 15.1. mehrere Bauwagen, Privatwohnungen und das alternative Wohnprojekt Hafermarkt von der Polizei hausdurchsucht. Dabei machte die Polizeibeamten auch nicht vor Wohnungen halt, für die sie keinen Durchsuchungsbefehl hatten.

Misshandlungen auch in Nordfriesland
Auf Sylt wurden am 22.202 zwei polnische Männer wegen dringenden Tatverdachtes aufgrund eines bevorstehenden Raubüberfalles von Beamten eines SEKs festgenommen. Die beiden Männer wurden zur Westerländer Wache gebracht. Auf Anweisung des Dienst habenden Dienstgruppenleiters mussten sie sich gefesselt mit dem Bauch auf den Boden legen. Einer der beiden, gerade 16 Jahre alt, bittet um ein Glas Wasser. Darauf antwortete der Dienstgruppenleiter laut den anwesenden SEK- Beamten, das es ihm egal sei, ob ein Pole etwas zu trinken hätte, und das solche Leute auf „seiner“ Insel nichts zu suchen hätten. Auch gaben die SEKler zu Protokoll, das er „plötzlich anfing, den 16jährigen anzubrüllen. Dann ihm ins Gesicht trat. Dann ihm in die Haare griff und den Kopf hochriss, um Namen von Komplizen zu erfahren“ (Spiegel Nr.26/02). Sonderbarer Weise werden die Straftaten nur von den anwesenden SEK-Beamten bestätigt. Ihre Westerländer Kollegen wollen nichts gesehen und auch nichts gehört haben. Laut dem Flensburger Staatanwalt Joachim Berns ist die Schuld des Täters nur gering. Und die Folgen sind es auch. Sein Vorschlag: 500 Euro Geldstrafe und zu den Akten damit.

Damit nicht der Eindruck entsteht, die gesamte deutsche Polizei sei vermummt, gewalttätig und bewaffnet noch ein erfreulicheres Beispiel: 1993 hat der Polizeibeamte Roland Schlosser den Flüchtling Alves da Costa aus dem Gefängnis im Südpfälzischem Landau befreit. Er war mit zwei anderen Männern in einer neun Quadratmeter großen Zelle mit Holzpritsche untergebracht. Aus Personalmangel verwehrte die Gefängnisleitung ihnen den Hofgang, so dass sie sich praktisch in Isolationshaft befanden. Schlosser setzte sich ohne Erfolg für eine Verlegung in ein anderes Gefängnis ein, doch dies ging nicht. Also befreite er da Costa, und brachte ihn bei einem Freund unter. Eine Woche später wurde da Costa das Bleiberecht zuerkannt.

Obwohl da Costa freigelassen worden wäre, wurde dieser Akt zivilen Ungehorsams hart bestraft: 2000 DM Geldstrafe, Aberkennung der Sondervergütung nach 25 Dienstjahren und schlechte Beurteilungen der Vorgesetzten. Durch sein zivil-couragiertes Handeln stoppte Schlosser die drei Menschen widerrechtlich zugefügte Gewalt. Dafür musste er ein Gesetz brechen, das zu Unrecht angewandt worden war, zu Unrecht bestand und später widerrufen wurde. Die Richter sahen in der Tat aber nicht einen Ausdruck von zivilen Ungehorsam, sondern Ungehorsam gegen bestehende Gesetze. „Zivilcourage ist nicht umsonst zu haben!“ sagte der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder zu Rechtfertigung.

2003 in der SchülerInnenzeitung Gelben Sitten an der Theodor-Storm-Schule Husum erschienen.

Keine Kommentare »

No comments yet.

RSS feed for comments on this post. TrackBack URL

Leave a comment